Neuer AdA-Rahmenplan? Das Mindset zählt!
Mit der Aktualisierung des AdA-Rahmenplans wollte der Gesetzgeber die Ausbildung der Ausbilder (AdA) an die veränderten Gegebenheiten in Wirtschaft und Gesellschaft anpassen. Im Kern geht es darum, dass die Themen „digitale Transformation“, „Nachhaltigkeit“ und „heterogene Gesellschaft“ verpflichtend in jede Ausbildung integriert werden. Darüber hinaus sollen Ausbilderinnen und Ausbilder ihre Auszubildenden zukünftig mit einem veränderten Selbst- und Rollenverständnis führen:
- weniger Unterweisung der Auszubildenden, dafür mehr Begleitung ihrer individuellen Lernprozesse.
- weniger kleinteilige Vorgaben für die Durchführung der Ausbildung, dafür mehr eigene Gestaltungsspielräume für das ausbildende Personal.
- weniger Hierarchie, dafür mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung bei der Aufgabenbearbeitung durch die Auszubildenden.
(Eine Erläuterung der Rahmenplanänderungen finden Sie hier im BIHK-Lernreich.)
Probleme vorprogrammiert?
In manchen Unternehmen prallen die frisch gekürten Ausbilderinnen und Ausbilder nun auf langjährig erfahrene Kolleginnen und Kollegen „alter Schule“. Sind damit eher wachsende Probleme als innovative Veränderungen vorprogrammiert? Wir haben die Ausbildungsleiterin Andrea Bodner hierzu befragt …
Frau Bodner, Sie leiten und koordinieren die Arbeit von zehn standortverantwortlichen Ausbilderinnen und Ausbildern bei Webasto-Deutschland, die wiederum mit ihren Ausbildungsteams etwa 200 Auszubildende und dual Studierende auf ihre Berufsabschlüsse vorbereiten. Erwarten Sie Spannungen oder gar Konflikte, weil nun jüngere Ausbilderinnen und Ausbilder mit neuen Ausbildungskonzepten die Organisation und Gestaltung der Ausbildung verändern wollen?
Andrea Bodner: Nein, jedenfalls nicht in unserem Unternehmen. Für eine erfolgreiche Ausbildung kommt es nicht allein auf die gesetzlich vorgeschriebene Qualifizierung an. Der Gesetzgeber verfolgt mit ihr im Grunde auch nur das Ziel, Mindeststandards für die Kompetenzen der Ausbilderinnen und Ausbilder und für die Durchführung der Ausbildung vorzugeben. Durch diese Mindeststandards stellen wir in Deutschland beispielsweise sicher, dass nicht jede beliebige Person mal eben als verantwortlicher Ausbilder eingesetzt und auf die Jugendlichen losgelassen werden kann. Für den echten Erfolg der Ausbildung als Instrument zur Sicherung kompetenter, motivierter und loyaler Nachwuchsfachkräfte reichen diese Mindeststandards aber ohnehin kaum aus.
Ich selbst habe meinen AdA-Lehrgang auch mit den „alten“ Standards absolviert. Aber bei uns im Unternehmen werden die Neuerungen, die der AdA-Rahmenplan jetzt aufgenommen hat, schon lange praktisch gelebt. Wer sich ernsthaft als Ausbilder oder Ausbilderin engagiert, merkt meiner Meinung nach schnell, dass es unbedingt erforderlich ist, sich selbst und die Organisation der Ausbildung immer wieder weiterzuentwickeln – und zwar deutlich über die AdA-Grundlagen hinaus. Ich habe in meinem Team Ausbilderinnen und Ausbilder, die in meinem Alter sind und schon lange mit großer Begeisterung beispielsweise auf projektbasiertes Lernen und Eigenverantwortung ihrer Auszubildenden setzen. Ich habe aber auch junge Kolleginnen und Kollegen erlebt, die als Ausbildende auf einmal in veraltete Rollenmuster verfallen und ziemlich autoritär gegenüber den Auszubildenden aufgetreten sind. Entscheidend ist, denke ich, das Selbstverständnis, das eigene Mindset. Dabei spielen die positiven und negativen Erfahrungen, die wir in unserer eigenen Berufsausbildung gemacht haben, eine ganz wichtige Rolle. Ich habe zu meiner Zeit dankenswerterweise eine damals schon absolut moderne Ausbildung genossen. Solche positiven Erfahrungen möchte ich mit meinem Team auch unseren Auszubildenden ermöglichen.
Dass der AdA-Rahmenplan nach 14 Jahren modernisiert wurde, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Aber was gehört Ihrer Meinung nach noch alles dazu, um eine zeitgemäße und dadurch auch erfolgreiche Ausbildung sicherzustellen?
Richtig, das ausbildende Personal muss modernere Methoden nutzen, dazu leistet die Rahmenplanaktualisierung einen wichtigen Beitrag. Jetzt kommt es auf die Trainerinnen und Trainer in den AdA-Lehrgängen an, dieses Instrumentarium an die zukünftigen Ausbilderinnen und Ausbilder zu vermitteln. Die Unternehmen können sich deshalb allerdings nicht zurücklehnen und die Verantwortung an die Bildungsträger abgeben. Die Wertschätzung der Ausbildung im gesamten Unternehmen ist meiner Meinung nach immens wichtig.
Wir fördern bei uns die Ausbildung auf viele verschiedene Arten. Wir ermutigen unsere Beschäftigten, sich in der Ausbildung zu engagieren und wir bezahlen ihnen zum Beispiel auch die Teilnahme am AdA-Lehrgang und stellen sie für die Zeit ihrer Prüfungsvorbereitung frei. Als Ausbildungsleiterin führe ich regelmäßig Workshops „Neu in der Ausbildung?“ durch. Die Teilnahme ist verpflichtend für alle, die an der Ausbildung mitwirken, ob nun mit oder ohne AdA-Schein. Alle drei Monate nehmen wir uns im Team bewusst Zeit, um uns standortübergreifend darüber auszutauschen, wie es aktuell in der Ausbildung läuft, wo es Schwierigkeiten gibt, wo und wie neue Erfolge erzielt werden konnten und was wir uns gemeinsam vornehmen. Die Auszubildenden und ebenso alle anderen Beschäftigten merken, dass die Arbeit in der Ausbildung hoch angesehen ist und dass für die Ausbildungsqualität viel getan wird. Und anders macht es doch auch gar keinen Sinn: Nur durch eine attraktive Ausbildung gewinnen wir die Fachkräfte, die wir brauchen und können sie so qualifizieren, dass unser Unternehmen wettbewerbsfähig bleibt. Das Unternehmen als Ganzes hat das größte Interesse daran, dass die Ausbildung konsequent auf Top-Niveau stattfindet, so dass sie dementsprechend auch wertgeschätzt und mit den nötigen Ressourcen ausgestattet wird.
Das sagt sich für ein großes Unternehmen wie Ihres aber sicher um einiges leichter als für viele kleine und mittlere Unternehmen, oder?
Nein, denn es geht ja nicht um absolute Beträge. Jedes Unternehmen entscheidet selbst, was es unter einer angemessenen Ausstattung für die Organisation und Durchführung der Ausbildung versteht, wie viel Arbeitszeit es seinem ausbildenden Personal zugesteht und mit welcher Konsequenz es die Zielsetzung „qualifizierte Nachwuchsfachkräfte, die wir gerne übernehmen“ verfolgt.
Außerdem muss man die veränderten Perspektiven der jüngeren Generationen anerkennen. Auszubildende fordern heute viel deutlicher und nachdrücklicher, dass sie optimal auf ihren zukünftigen Beruf vorbereitet werden. Es kann also heute nicht mehr sein, dass man sie mit Aushilfsarbeiten beschäftigt, weil gerade niemand Zeit hat, sich um sie zu kümmern, oder weil sonst niemand diese Arbeiten erledigt. So etwas machen die zwei Mal mit, aber bevor es zum dritten Mal kommt, sind sie weg – Ziel verfehlt, eigentlich auch kein Wunder.
Wenn wir noch genauer hinschauen, ist nicht nur die oder der Auszubildende weg, es spricht sich auch herum, dass die Ausbildung in diesem Unternehmen nur wenig taugt. Das können Sie dann auch mit viel Geld für Ausbildungswerbung nicht mehr geraderücken. Wir haben in diesem Zusammenhang erfreulicherweise die umgekehrte Erfahrung gemacht, dass es sich auch positiv herumspricht, wenn sich die Auszubildenden bei uns wohlfühlen und ihre Ausbildung als erstklassig wahrnehmen. Unsere Auszubildenden sind für uns die besten Botschafter, sogar über die Region hinaus, wir können hierdurch Geld für Azubiwerbung sparen.
Was halten Sie von den Themen „digitale Transformation“, „Nachhaltigkeit“ und „heterogene Gesellschaft“, die nun explizit in die Ausbildung der Ausbilder aufgenommen wurden?
Auch das ist von der Intention her natürlich völlig richtig. Aber auch bei diesen Themen denke ich, dass es nicht allein den Ausbilderinnen und Ausbildern zugerechnet werden kann, ob Jugendliche fit für die Digitalisierung sind, ob sie erkennen, wie wichtig Nachhaltigkeit für das Unternehmen ist, und ob sie die Verschiedenartigkeit der Menschen als Bereicherung verstehen.
Alle diese Themen müssen in den Unternehmen auch gelebt werden. Wir sind ein global tätiges Unternehmen, das spiegelt sich auch in unserer Belegschaft wider. Auch unsere Auszubildenden kommen aus mehreren Nationen. Wir haben einen gebürtigen Rumänen, einen, dessen Familie aus Südamerika nach Deutschland gezogen ist, und zig weitere Kulturen, die vertreten sind. Wir brauchen interkulturelle Kompetenz, wenn wir weltweit erfolgreich sein wollen, also muss es Bestandteil der Ausbildung sein, sie zu fördern und aktiv wertzuschätzen.
Das Gleiche gilt für das Thema Nachhaltigkeit und hierbei finde ich darf der Aspekt der sozialen Verantwortung neben den Komponenten Energie und Umwelt nicht hintenanstehen. Nachhaltigkeit muss im Unternehmen gelebt werden, sonst bleibt das Konzept eine leere Worthülse und erzielt auch keine Mehrwerte für das Unternehmen und seine Beschäftigten. Die Jugendlichen erkennen Greenwashing sehr schnell und haben dazu eine ziemlich klare Meinung. Wir schreiben Nachhaltigkeit bei uns im gesamten Unternehmen groß und meinen das auch ernst. Die Auszubildenden können und sollen sich in verschiedenen Nachhaltigkeitsprojekten engagieren und sie erfahren hier, dass ihr Engagement auf ganz verschiedene Weise etwas bringt. Energie- und Ressourcensparen im Umfeld ihres zukünftigen Berufs, das macht ganz klar Sinn. Genauso macht es Sinn, den sozialen Zusammenhalt und die sozialen Kompetenzen zu fördern. Wir haben zum Beispiel das Projekt „Spende Zeit!“, bei dem die Jugendlichen regelmäßig in ein Seniorenheim gehen und mit alten Menschen Zeit verbringen. Ob das ein gemeinsamer Spaziergang ist oder ob sie am Computer etwas erklären, da gibt es ganz viele Möglichkeiten. Die positiven Effekte solcher Projekte bemerken wir im Miteinander der Generationen, die bei uns arbeiten. Außerdem bringen solche Projekte die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen enorm vorwärts, wovon wiederum unsere Ausbilderinnen und Ausbilder sehr profitieren. Also zusammengefasst: Die Unternehmen sind selbst in der Pflicht, die Werte, die sie sich von ihren Auszubildenden wünschen, auch selbst in ihrer gesamten Unternehmenskultur zu verankern und zu leben, dann werden auch Erfolge erzielt.
Das gesamte Unternehmen ist für eine erfolgreiche Ausbildung verantwortlich, diese Botschaft ist angekommen. Was empfehlen Sie nun den Ausbilderinnen und Ausbildern, damit sie ihren Part optimal erfüllen können?
Wenn ich einmal voraussetze, dass jemand fachlich up-to-date ist und auch für sich selbst gerne Ausbilderin bzw. Ausbilder ist, also nicht nur, weil es sich irgendwie ergeben hat und einer muss es ja machen, dann möchte ich zwei Punkte ansprechen, die mir als Leiterin Ausbildung immer wichtig sind.
Erstens: Ausbildende sollten versuchen, möglichst viele andere Mitarbeitende nicht nur für eine Mitwirkung in der Ausbildung zu gewinnen, sondern sie dafür zu begeistern. Gemeinsam auszubilden, macht Spaß, es ist ein fachlicher Gewinn, stärkt die eigene Persönlichkeit, ermöglicht tolle Erlebnisse und fördert das gesamte Miteinander im Unternehmen, kurz gesagt: Holt euch Mitstreiter ins Boot, macht es nicht alleine, macht Ausbildung zur Gemeinschaftsaufgabe, auch wenn natürlich eine Person hauptverantwortlich sein muss.
Zweitens: Nach dem AdA-Schein ist noch lange nicht Schluss. Bildet Euch weiter, besucht Seminare und Trainings, um Themen wie zum Beispiel die Digitalisierung zu vertiefen und Eure Ausbildungskompetenzen weiter auszubauen. Vernetzt Euch mit den Lehrenden an den Berufsschulen und Ausbilderinnen und Ausbildern in anderen Unternehmen. Bildet Allianzen, denn Einzelkämpfer haben verloren und Stillstand bedeutet Rückschritt.
Die duale Ausbildung ist ein wirklich tolles System um das uns viele Länder beneiden. Aber das System ist nur so gut wie die Menschen, die es mit Leben füllen und gemeinsam weiterentwickeln, es kommt auf uns alle an.
Frau Bodner, herzlichen Dank für Ihre Einschätzungen und die klaren Worte, die bei vielen Kolleginnen und Kollegen in der Ausbildung sicher Gehör finden.
Zur Person
Andrea Bodner
- Lehramtsstudium für Sekundarstufe II in den Fächern Englisch, Pädagogik und Sozialwissenschaften
- Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau bei der Hoesch Export AG in Dortmund
- diverse Stationen in kaufmännischen Abteilungen mehrerer Unternehmen
- seit 2003 bei der Webasto Gruppe in Stockdorf, mehrere Karriereschritte in verschiedenen Abteilungen bis zur Ausbildungsbeauftragten für Industriekaufleute
- seit 2010 verantwortliche Ausbildungsleiterin für die deutschen Werke der Webasto Gruppe.
Zum Unternehmen
Die Webasto Roof & Components SE zählt mit weltweit über 50 Standorten zu den Top-100- Automobilzulieferern. Die Produktpalette reicht von (Falt-)Dachsystemen über Heiz-, Kühl- und Batterielösungen bis zu Komponenten für die E-Mobilität.
In Deutschland fertigt das Unternehmen an zehn Standorten. Hier werden insgesamt rund 200 kaufmännische bzw. gewerblich-technische Auszubildende sowie dual Studierende unter anderem zu Industriekaufleuten, Mechatronikerinnen/Mechatronikern, Informatikerinnen/Informatikern oder Elektronikerinnen/Elektronikern qualifiziert.
Mehr Informationen: www.webasto.com
Weiterführende Links zum Thema
Selbst lernen statt "vorkauen" - projektbasiertes Lernen
CSR steigert Ausbildungsattraktivität
Wieviel Ausbilder/-in ist erlernbar?