Macht es wie der Bundestrainer!

PraxisArtikel

Wer Menschen eine Chance gibt, die keinen geradlinigen Lebensweg eingeschlagen haben, kann wahre „Schätzchen“ entdecken. Dass es eben auch andere Wege zum Ziel gibt, zeigt eindrücklich der Lebensweg von Deniz Undav vom VfB Stuttgart. Ihm gelang erst mit 27 Jahren der Sprung in die Bundesliga, kurz darauf wurde er sogar ins Team der Nationalelf berufen. Sein Werdegang? Viele Jahre spielte er in der Regional- und in der dritten Liga, erst über Umwege bei ausländischen Vereinen erarbeitete er sich seinen heutigen Platz. 

Geeignete Nachwuchskräfte, dieses Thema beschäftigt auch viele Ausbildungsbetriebe. Und auch hier zeigt sich immer wieder das eben skizzierte Muster: Verantwortliche fokussieren sich bei ihrer Kandidatenauswahl gerne auf klassische, ideale Lebensläufe. Bewerberinnen und Bewerber, die hingegen über 25 Jahre alt sind, werden oft als „zu alt“ aussortiert. Doch warum eigentlich? Lebenserfahrung schadet nur dem, der keine hat, sie ist eine Bereicherung der Persönlichkeit!

Studienerfahrene

Gründe, warum sich schon etwas Lebensältere für eine Berufsausbildung entscheiden, gibt es viele. Zunächst kommen die jungen Erwachsenen in den Blick, die erst nach einer gewissen Zeit an der Universität feststellen, dass die akademische Bildung, die Inhalte des gewählten Studiums und nicht zuletzt die hier geforderten Lern- und Arbeitsformen langfristig dann doch nicht das Richtige für sie sind. In der Regel sind sie es gewohnt, sich selbst zu motivieren und ihre persönliche Leistung abzurufen, dafür fehlt ihnen jedoch manches Mal die Erfahrung der realen Arbeitswelt. Wer solchen jungen Menschen jedoch eine Chance gibt, wird motivierte Auszubildende gewinnen, sofern sie auch – aufgrund ihres bisherigen Lebensweges – altersadäquat behandelt werden und ihnen mehr Eigenverantwortung zugestanden wird als beispielsweise einer bzw. einem 17-Jährigen.

  • Hier im BIHK-Lernreich haben wir dieses Thema in diesem Artikel beleuchtet Chance für KMU: Studienabbrecher als Auszubildende
  • Für Ausbildende und ihre Ausbildungsbetriebe, die daran interessiert sind, bei Studienzweiflern auf sich aufmerksam zu machen, ist das Projekt "switch-zur.Ausbildung.de" interessant. Eine Darstellung des Projekts und seiner Intentionen lesen Sie hier im BIHK-Lernreich oder auf der Projektseite 
  • Auf der Seite stark für Ausbildung finden Sie ein eigenes Trainingsmodul speziell für Ausbilderinnen und Ausbilder mit wertvollen Tipps, damit die Ausbildung von Studienerfahrenen gelingt.
     

Den Beruf wechseln

Ähnlich, aber doch anders verhält es sich mit denjenigen, die nach einer gewissen Zeit in ihrem bisherigen Beruf feststellen, dass sie die hier zu leistende Arbeit nicht dauerhaft glücklich macht oder dass der erlernte Beruf in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Die technische Entwicklung treibt den Wandel der Arbeitswelt voran, die persönlichen Interessen oder auch das Umfeld haben sich weiterentwickelt, vor solchen Hintergründen entscheiden sich Menschen, noch einmal ganz neu zu starten. Diese Ausbildungsinteressierten treffen ihre Entscheidung sehr bewusst und suchen sich sehr genau heraus, wo sie sich für ihren Neustart bewerben. Genau deshalb können sich diese Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem großen Gewinn für den Betrieb (weiter-)entwickeln.

Hat sich einfach anders ergeben 

Ein weiterer, gar nicht so kleiner Pool von Menschen bewirbt sich erst einige Jahre nach dem Schulabschluss für eine Ausbildung, weil private Konstellationen zu einer Unterbrechung des geradlinigen Starts ins Berufsleben geführt haben. Das sind zum Beispiel junge Eltern, die nach ihrer Schulausbildung erst einmal gejobbt haben, um ihre Familie über die Runden zu bringen. Wer beispielsweise solchen jungen Müttern oder Vätern die Möglichkeit eröffnet, eine Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren, wird sicher – auch wenn es ab und an mehr Entgegenkommen als gewöhnlich erfordert – äußerst motivierte, loyale und engagierte Beschäftigte hinzugewinnen. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang auch solche Menschen, die durch eine ernsthafte Krankheit oder einen gravierenden Unfall für längere Zeit „ausgebremst“ wurden und nun den für sie passenden Berufseinstieg suchen.

Ich wollte mich einfach nicht festlegen

Und noch eine in den letzten Jahren immer größer werdende Personengruppe lässt sich Zeit für den eigenen Start in die Ausbildung. Dabei handelt es sich um diejenigen, die sich auch aufgrund des heutigen Überangebots an Möglichkeiten, einfach nicht entscheiden können oder wollen: In Social Media und allen anderen Medien werden ständig neue „Top-Berufsmöglichkeiten“ und „Top-Ausbildungsbetriebe“ präsentiert. Wer sich zu schnell festlegt, hat damit vielleicht das noch bessere Angebot ausgeschlagen. So hangeln sich nicht wenige Jugendlichen von einem vorläufigen Job zum nächsten, von Praktikum zu Praktikum, schnell vergehen mehrere Jahre auf der Suche nach der „besten Ausbildung ever“. Zwischendurch verreisen sie, um auch in Sachen Welterkundung nichts zu verpassen, sie engagieren sich in Organisationen oder Vereinen, der Erwartungsdruck, den eigenen Lebensweg zügig in feste Bahnen zu navigieren, geht an ihnen eher vorbei, als dass er die Entscheidung forciert.

Klar, man kann diesen jungen Menschen Entscheidungsschwäche oder Orientierungslosigkeit vorwerfen. Vielleicht gehen sie aber auch einfach offener, sogar mutiger, in die Zukunft als andere und sammeln auf ihrem Weg schon wertvolle Lebens- und Berufserfahrungen, erweitern ihren Horizont und gewinnen Weitblick. Eigentlich erstklassige Voraussetzungen, um diese jungen Erwachsenen – unter der richtigen Anleitung und Führung – zu echten „Perlen“ zu entwickeln.

Offensiv spielen im Ausbildungsmarketing

Wer bei der Kurzvorstellung solcher „Spieler/-innen-Typen für das neue Team“ neugierig geworden ist und Bewerberinnen bzw. Bewerben 25+ eine Chance geben möchte, sollte dies auf jeden Fall auch ins Ausbildungsmarketing integrieren. Wer zum Beispiel auf der Webseite und in den sozialen Medien klare Signale setzt nach dem Motto „Trau dich! Für uns sind andere Dinge wichtig“, kann über diesen Weg oftmals ungeschliffene Talente erreichen und für sich gewinnen.

Wichtig ist allerdings auch, sich im Vorfeld über die anders gelagerten Interessen, Stärken und Schwächen solcher Bewerberinnen und Bewerber klar zu werden und das Matching im Bewerbungsprozess entsprechend anders zu bewerten als bei den sonst üblichen Bewerberinnen und Bewerbern. Ob hier eine Passung besteht, lässt sich letztlich am besten herausfinden, wenn man mit den Menschen spricht und sich sein eigenes Bild von ihnen macht. Aussortieren kann man ja dann immer noch … 

Tipp

Ausbilderinnen und Ausbilder, die die Ausbildung für Menschen öffnen wollen, die nicht ins Schema F passen, finden auf der Seite stark für Ausbildung zahlreiche Hintergrundinformationen, Wissens- und Lernbausteine, inspirierende Praxisbeispiele sowie konkrete Tipps und Hilfen, wie sie diese Azubi-Gruppen gewinnen, halten und fördern können. 

Und noch ein Tipp

Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt Auszubildenden mit Lebenserfahrung mit der Initiative „Zukunftsstarter“. Sie bietet unter anderem Weiterbildungsprämien für gutes Durchhaltevermögen und Prämien für erfolgreiche Zwischen- und Abschlussprüfungen. Auch der Erwerb von besseren sprachlichen und mathematischen Kompetenzen wird bei Bedarf unterstützt, einfach eine interessante Adresse