Lösungen statt Probleme

PraxisEngagement

Eine kurze Internetrecherche liefert auf die Frage „Welche Anforderungen müssen Ausbildungsbetriebe erfüllen, bevor sie Auszubildende einstellen und ausbilden dürfen?“ recht schnell die wesentlichen Kerninformationen:

  • Die gesetzliche Grundlage ist das Berufsbildungsgesetz (BBiG), § 27 „Eignung der Ausbildungsstätte“. Es gibt vor (hier in verkürzter und vereinfachter Form wiedergegeben), dass 
    • die Art und Einrichtung der Ausbildungsstätte für die Ausbildung tauglich sein muss,
    • die Anzahl der Auszubildenden in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der beschäftigten Fachkräfte stehen muss und
    • die für die Ausbildung erforderlichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vorhanden sein müssen.
  • Die zuständige Stelle, um diese Eignung zu überprüfen, sind in der Regel die Kammern.

Um es einmal bildlich zu formulieren: Ausbildung darf nicht in irgendeiner gerade noch freigebliebenen Ecke des Unternehmens stattfinden. Ein Chef ohne Beschäftigte, aber mit zehn Azubis, die die Arbeit machen sollen? Das wird es in Deutschland nicht geben. Und eine Geschäftstätigkeit in der Logistik, aber die Ausbildung zum/zur Sport- und Fittnesskaufman/-frau anbieten wollen? Auch diese Vorstellung wird sich hierzulande nicht realisieren lassen und das ist auch gut so. Denn letztlich haben die Anforderungen an die Eignung der Ausbildungsstätte eines zum Ziel: die Sicherung der Ausbildungsqualität.

Soweit der abstrakte Rahmen. Doch was heißt es nun konkret für ein Unternehmen, die Eignung als Ausbildungsstätte nachzuweisen? Darüber sprachen wir mit Oksana Thiry, Bildungsberaterin bei der IHK für München und Oberbayern, und Angie Michelle Braun, Human Resources Specialist mit Aufgabengebiet Ausbildungskoordination beim München Marriott Hotel.

Oksana Thiry
Jahrgang 1976
Studium Osteuropastudien und Slavische Philologie
MBA General Management
Berufliche Stationen u. a. als Beraterin, Personalreferentin und Ausbildungsleiterin

Heute tätig als IHK-Bildungsberaterin bei der IHK für München und Oberbayern

Angie Michelle Braun
Jahrgang 1997
Ausbildung zur Hotelfachfrau mit Zusatzqualifikation Europäisches Hotelmanagement 

Heute tätig als Human Resources Specialist mit Aufgabengebiet Ausbildungskoordination beim München Marriott Hotel

aktuell: berufsbegleitende Weiterbildung zur Hotelbetriebswirtin

Frau Braun, Sie haben erst vor kurzem eine Eignungsprüfung als Ausbildungsbetrieb erfolgreich abgeschlossen. Allerdings bildet Ihr Unternehmen doch schon seit vielen Jahren aus. Warum also eine erneute Begehung durch die IHK?

Angie Michelle Braun: Wir bilden Jugendliche und junge Erwachsene schon seit vielen Jahren zu Köchinnen und Köchen sowie zu Hotelfachfrauen und -fachmännern aus, das sind die für ein Hotel typischen Ausbildungsberufe. In der Geschäftsentwicklung hat der Veranstaltungsbereich neben der klassischen Übernachtung bzw. als Gesamtpaket aus Event mit Bewirtung und Übernachtung bei uns in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Daher haben wir uns 2022 dazu entschieden, dass wir auch für diesen Bereich in Zukunft eigene Fachkräfte fest im Haus haben wollen. Aus diesem Grund bieten wir ab Herbst 2023 die Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau bzw. zum Veranstaltungskaufmann an. Damit das möglich wird, haben wir mit der IHK, genauer gesagt mit Frau Thiry, Kontakt aufgenommen und sind mit ihr gemeinsam den Weg bis zur Eignungsfeststellung gegangen.

Frau Thiry, warum mussten Sie denn das München Marriott Hotel noch einmal als Ausbildungsbetrieb prüfen?

Oksana Thiry: Nun, die Frage weist auf ein typisches Missverständnis hin. Die Eignung der Ausbildungsstätte ist keine Angelegenheit, die einmal festgestellt wird und dann für den gesamten Betrieb bis in alle Ewigkeit gilt. Ändert sich im Unternehmen substanziell etwas, kann das auch Veränderungen bei der Ausbildungseignung mit sich bringen und das darf nicht zu Lasten der Auszubildenden bzw. der Ausbildungsqualität gehen. Außerdem ist die Eignung immer berufsbezogen zu betrachten. Insofern wusste ich in diesem Fall also tatsächlich bereits, dass das München Marriott Hotel für seine angehenden Köchinnen und Köche und für seine angehenden Hotelfachleute die geforderten Ausbildungsbedingungen vorbildlich erfüllt. Nun ging es aber darum, die Eignung für den neuen Ausbildungsberuf festzustellen, der sich von den bestehenden doch deutlich unterscheidet. 

Das heißt, Sie kennen alle Ausbildungsberufe und können spezifisch für jeden von ihnen einschätzen, wie es in einem Unternehmen um die Eignung der Ausbildungsstätte bestellt ist?

Oksana Thiry: In der Tat, in unserem Team der Bildungsberatung kennen wir alle Ausbildungsverordnungen im IHK-Verantwortungsbereich, denn genau das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Wir schauen ja nicht einfach nur, ob es in der Ausbildungsstätte eine Garderobe gibt, wo ein Azubi die Jacke aufhängen kann. Die Art und Einrichtung der Ausbildungsstätte bedeuten für jeden Ausbildungsberuf ganz verschiedene Anforderungen. Denken Sie nur daran, dass für angehende Köche eben die Hotelküche angemessen ausgestattet sein muss. Für die Veranstaltungskaufleute geht es dagegen um das Vorhandensein bestimmter Veranstaltungstechnik, damit sie den Umgang mit diesen Geräten lernen können. Insofern würde es ja nichts bringen, einmal die Eignung festzustellen und damit einen Blanko-Scheck für alle möglichen Ausbildungsberufe auszuschreiben. Das Unternehmen will weder eine Köchin, die ein Mischpult bedient, noch einen Veranstaltungskaufmann, der ein Drei-Gänge-Menü kocht.

Angie Michelle Braun: Es ist nicht nur so, dass wir die Auszubildenden nach ihrem Abschluss als „richtige“ Experten übernehmen wollen und schon deshalb dafür sorgen, dass sie ihre Ausbildung unter möglichst optimalen Bedingungen absolvieren können. Natürlich vertrauen auch die Jugendlichen darauf, dass wir als Ausbildungsbetrieb in jeder Hinsicht dazu geeignet sind, ihnen genau das beizubringen, worum es in ihrem späteren Beruf geht – und nicht irgendetwas. Wenn Betriebe dieses Vertrauen enttäuschen, brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn die Jugendlichen ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen oder nach dem Abschluss die Branche wechseln. Als Mitarbeiterin im Personalbereich möchte ich noch einen Punkt ergänzen: Wenn wir Bewerbungsgespräche mit Fachkräften führen, die wir nicht selbst ausgebildet haben, dann vertrauen wir auch auf die Aussagekraft der Ausbildungszeugnisse, die uns vorgelegt werden. Würden die Qualitätsstandards für die Ausbildung nicht auch die Eignung der Ausbildungsbetriebe mit einbeziehen, könnten wir auch gleich auf die Ausbildungszeugnisse verzichten. Es wäre kein Abschluss und kein Zeugnis mehr mit dem anderen zu vergleichen.

Das heißt also, dass die Feststellung der Eignung der Ausbildungsstätte den ausbildenden Unternehmen, ihren Auszubildenden und der Wirtschaft insgesamt nützt. Das lässt die Sache allerdings in einem anderen Licht erscheinen als der Begriff „Eignungsfeststellung“ es spontan vermuten lässt.

Angie Michelle Braun: Ja, für mich war die Aufgabe, unsere Ausbildungseignung für den zusätzlichen Beruf mit der IHK abzustimmen, auch ganz neu und spannend. Ich wusste jedenfalls nicht auf Anhieb, was genau ich zu tun habe und wie das Feststellungsverfahren abläuft.

Oksana Thiry: Und in der Situation haben Sie dann genau das Richtige getan, indem Sie direkt Kontakt mit uns aufgenommen haben. Wir sind immer froh, wenn wir gemeinsam mit den Unternehmen so früh wie möglich über die Ausbildungsstätte und die verschiedenen Aspekte der Eignungsfeststellung sprechen können.

Angie Michelle Braun: Das „Gemeinsam-am-Ziel-Arbeiten“ war für mich als Ausbildungskoordinatorin eine tolle Erfahrung. Man merkt sehr schnell, dass es eigentlich nicht um eine Prüfung geht, vor der man Angst haben muss, sondern darum, wie die Vorgaben vor Ort am besten umgesetzt werden können.

Können Sie dazu ein Beispiel geben?

Angie Michelle Braun: Die Ausbilderin, die wir für die neue Ausbildung vorgesehen haben, hat zwar die AEVO-Qualifizierung, sie hat aber den Beruf der Hotelfachfrau und nicht Veranstaltungskauffrau gelernt. Wir wussten zwar, dass sie eine Top-Ausbilderin sein würde, aber es war anfangs nicht klar, wie genau sie die benötigten Anforderungen für den Veranstaltungsbereich nachweisen kann.

Oksana Thiry: Das ist wirklich ein gutes Beispiel. In dem Falle ist die Mitarbeiterin schon seit vielen Jahren nachweislich mit großer Eigen- und Führungsverantwortung im Veranstaltungsbereich tätig und verfügt damit über die geforderte Berufserfahrung und Fachkunde für die neue Ausbildung im München Marriott Hotel. Aus IHK-Sicht können wir den Unternehmen oft Lösungen aufzeigen, die sie selbst gar nicht im Blick haben können, einfach weil sie sich mit der Materie nicht so gut auskennen. Im Zweifelsfall hätte es zum Beispiel auch eine bestimmte Weiterbildung sein können, um den Nachweis der fachlichen Eignung zu erbringen. Das muss man wirklich von Fall zu Fall und mit allen Beteiligten gemeinsam besprechen. Wir wollen die Ausbildung ja nicht verhindern, sondern ermöglichen.

Angie Michelle Braun: Zu jeder Ausbildung gehört ja auch die Erstellung eines Ausbildungsplans. Einzelne Ausbildungsinhalte, vor allem bei der Veranstaltungstechnik, die wir nur schwer im eigenen Haus vermitteln könnten, übernimmt unser langjähriger externer Partner. Dass so etwas geht, hat sich auch erst durch die vertrauensvolle und wirklich konstruktive Abstimmung mit der IHK ergeben.

Oksana Thiry: Dieses Feedback freut mich natürlich sehr. Verbundausbildung, Ausbildung in Teilzeit, Einstiegsqualifizierung oder auch Online-Ausbildungsvertrag, das sind nur einige der Stichwörter rund um die Ausbildung, zu denen wir maßgeschneidert für die jeweilige Situation des Unternehmens beraten. Das macht unseren Job auch so spannend und vielfältig und es ist schön, zu sehen, dass es funktioniert.  

Angie Michelle Braun: Mir und unserem gesamten Betrieb hat die IHK jedenfalls sehr geholfen und ich kann den Kontakt nur empfehlen. Indem wir ausbilden, übernehmen wir Verantwortung für die jungen Menschen und weiter gedacht auch für unsere Gesellschaft. Ich finde auch unter diesem Blickwinkel – und nicht nur aus der Unternehmensperspektive „Fachkräftesicherung“ – sollte man lieber einmal zu viel das Gespräch und die Beratung suchen als einmal zu wenig. Also mein Tipp: ‚Habt Mut! Wenn Ihr ausbildet, eröffnet Ihr Euch, dem Unternehmen und den jungen Menschen wirklich neue Chancen. Lasst Euch beraten!‘

Frau Braun, Frau Thiry, ein besseres Schlusswort kann es eigentlich nicht geben. Vielen Dank für Ihre Erfahrungen und die interessanten Praxiseinblicke.


Eignungsfeststellung der Ausbildungsstätte

  1. Klärung: Für welchen Beruf soll im Unternehmen eine Ausbildung angeboten werden?
  2. Kontaktaufnahme mit der IHK-Ausbildungsberatung
  3. Gemeinsame Abstimmung bzw. Erarbeitung der erforderlichen Ausstattung der Arbeitsstätte, zum Beispiel Computer-Arbeitsplatz, Ausbildungswerkbank, Arbeitskleidung etc.; Ggf. Hinweise zu Möglichkeiten der Finanzierungsförderung (z. B. bei Umschulungen).
  4. Gemeinsame Abstimmung der erforderlichen fachlichen, persönlichen sowie arbeits- und berufspädagogischen Eignung des vorgesehen Ausbildungspersonals, unter anderem durch AEVO-Qualifizierung (obligatorisch), Berufserfahrung im Ausbildungsberuf usw.
  5. Abstimmung des spezifischen Ausbildungsplans für den Ausbildungsberuf
  6. Ggf. Erarbeitung individueller Lösungen durch Verbundausbildung, Ausbildungskooperationen, Ausbildung in Teilzeit, Weiterbildung für die/den Ausbildenden usw.
  7. Gemeinsame Begehung der Ausbildungsstätte vor Ort
  8. Formelle Feststellung der Eignung der Ausbildungsstätte
  9. Eintragung des neuen Ausbildungsangebotes in die entsprechenden Verzeichnisse/Ausbildungsplattformen