Eltern als Verbündete

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Wie groß ist der Einfluss, den Eltern auf ihre Kinder haben, wenn es um die Berufsorientierung und um die Entscheidung über die nächsten Schritte nach dem Schulabschluss geht? Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es sicher nicht, zu unterschiedlich sind die familiären Strukturen, sozialen Milieus und Bildungshintergründe. Positiv lässt sich aber festhalten:

  • Je besser Eltern das System der dualen Berufsausbildung (ggf. auch alternativ zu einem Studium) verstehen und je genauere Vorstellungen sie von den möglichen Karrierewegen nach der Ausbildung haben, desto besser können sie mit ihren Kindern auch darüber sprechen, ob sich einer dieser Wege für sie eignen könnte.
     
  • Je größer das Vertrauen ist, das Eltern in ein (regional ansässiges) Unternehmen haben, desto eher geben sie ihren Töchtern bzw. Söhnen auch positiven Zuspruch, sich dessen Ausbildungsangebote einmal genauer anzuschauen.
     

Damit liegt der Schluss nahe, Eltern als wichtige Multiplikatoren im Azubimarketing zu verstehen und durch geeignete Instrumente und Maßnahmen auf sie einzugehen. Lucie Großstück, Forschungsreferentin bei den bayerischen IHKs, betreut die BIHK-Initiative für Eltern und erklärt, worauf es ankommt.

Informationen explizit für Eltern

„Ausbildungsbetriebe informieren Jugendliche heute zwar oft auf gleich mehreren Social-Media-Kanälen über ihre Ausbildungsangebote,“ berichtet die Expertin, „aber nur wenige sprechen explizit auch Eltern an.“ Dabei reicht es völlig aus, auf der eigenen Webseite unter dem hoffentlich vorhandenen Menüpunkt „Ausbildung“ ein zusätzliches, speziell an Eltern adressiertes Informationsangebot bereitzustellen. „Bei Interesse schaut sich die Elterngeneration die Unternehmens-Webseite an und nicht die Posts auf Instagram oder TikTok.“

Was könnten Inhalte sein, die Eltern interessieren?

„Eltern wollen, dass ihre Kinder mit der Ausbildung eine gute Entscheidung treffen und das ‚richtige‘ Unternehmen finden. Also gilt es, mit dieser Zielrichtung zu informieren und ggf. auch weitere Maßnahmen zu planen“, antwortet Lucie Großstück. Unternehmen können zum Beispiel darstellen, inwiefern die Ausbildung bei Ihnen besonders ist: besonders vielseitig, besonders innovativ, besonders im Hinblick auf die Betreuung, Begleitung und Förderung der Jugendlichen, besonders, weil … 

Weitere Inhalte können zum Beispiel auch Antworten auf typische Fragen sein, die sich Eltern stellen, eine Art FAQ-Liste speziell ausgerichtet auf Eltern:

  • An wen im Unternehmen können sich Eltern wenden, wenn sie Fragen haben?
  • Wie hoch sind die Chancen, dass mein Kind nach der Ausbildung übernommen wird?
  • Wie kann ich mein Kind beim Einstieg in die Ausbildung unterstützen?
  • Welche Tipps gibt es vonseiten des Unternehmens, damit meinem Kind der Start in die Ausbildung gelingt?
  • Wie geht es nach der Ausbildung im Unternehmen weiter? Welche Karrierewege sind im Unternehmen typisch und wie werden sie gefördert?
  • Wann können sich Eltern (in Begleitung ihrer Tochter/ihres Sohnes) das Unternehmen einmal gemeinsam anschauen? (siehe hierzu auch weiter unten: Tag der offenen Tür)

Kontakte ermöglichen

„Um das Azubi-Marketing zu ergänzen und Eltern als wichtigen ‚Verstärker‘ zu nutzen, sind letztlich alle Maßnahmen sinnvoll, die die Distanz zwischen den Eltern und dem Unternehmen bzw. den Ausbilderinnen und Ausbildern verkürzen und persönliche Kontakte ermöglichen“, erläutert Lucie Großstück und nennt konkrete Beispiele …

Tag der offenen Tür

Mit einem Tag der offenen Tür, zu dem ausdrücklich auch Eltern mit Kindern vor dem Schulabschluss eingeladen sind und bei dem auch die Ausbilderin bzw. der Ausbilder für Gespräche zur Verfügung steht, signalisieren Firmen, dass sie die Elternperspektive verstehen und wertschätzen. Damit ein solches Angebot zum Erfolg werden kann, ist es wichtig, es mit ausreichendem zeitlichem Vorlauf in den regionalen Medien, die Eltern nutzen, bekannt zu machen.

IHK Ausbildungs- bzw. KarriereScouts

Die IHKs bieten das vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie geförderte Projekt „IHK AusbildungsScouts“ (einen Erfahrungsbericht aus Unternehmenssicht lesen Sie hier]), zu dem auch die Variante „IHK KarriereScouts“ gehört. Lucie Großstück beschreibt den Ansatz des Projekts:

„Auszubildende berichten authentisch, warum sie sich für die Ausbildung in einem Unternehmen entschieden haben (IHK AusbildungsScouts). Bei den IHK KarriereScouts schildern etwas fortgeschrittene junge Fach- und Führungskräfte, wie ihr beruflicher Weg im Unternehmen nach der Ausbildung verlaufen ist. In beiden Fällen geht es somit um Glaubwürdigkeit und um praxisnahe Erfahrungsberichte. So entsteht ein ganz anderer Auftritt jenseits von Werbesprüchen und gestellten Fotos.“ Und wie funktioniert es? „Die IHKs vermitteln die erforderlichen Kontakte zu den Schulen und organisieren mit diesen gemeinsam die Termine“, erklärt Lucie Großstück. „Mit Blick auf die Eltern ist es in Abstimmung mit der IHK und den Schulen sicher auch möglich, den Ausbildungs- oder Karrierescout des Unternehmens bei dem einen oder anderen Elternabend sprechen zu lassen.“ Die Empfehlung lautet somit:

  1. Informieren Sie sich als Ausbildungsunternehmen über die Scout-Idee der IHKs in Bayern hier
  2. Nehmen Sie mit Ihrer IHK Kontakt auf, benennen Sie geeignete Ausbildungs- bzw. KarriereScouts Ihres Unternehmens und eröffnen Sie Schülerinnen und Schülern bzw. deren Eltern einen neuen, überzeugenden Einblick in die Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten in Ihrem Betrieb.
     

Angebote für Eltern auf Ausbildungsmessen

Und noch eine Maßnahme schlägt die Expertin interessierten Ausbilderinnen und Ausbildern vor: „Wer einmal an einer Ausbildungsmesse teilgenommen hat, weiß, dass viele Jugendliche diese Veranstaltungen in Begleitung ihrer Eltern besuchen. Deshalb sollte sich das Team auf dem Stand im Vorfeld gezielt auf Eltern vorbereiten. Überlegen Sie im Messeteam zum Beispiel gemeinsam, welche Fragen Sie erwarten und bereiten Sie überzeugende Antworten vor. Entwickeln Sie ein kurzes Informationsblatt speziell für Eltern, das die wichtigsten Informationen zu den Ausbildungsangeboten Ihres Unternehmens aus Elternsicht und einen Ansprechpartner bzw. eine Ansprechpartnerin für ein persönliches Gespräch aufführt.“ [Weitere Tipps, wie Sie Ihren Auftritt auf einer Ausbildungsmesse vorbereiten finden Sie im BIHK-Lernreich hier]

Die meisten Messeveranstalter haben sich ebenfalls auf Eltern eingestellt und bieten sog. Elterncafés, bei denen es speziell auf diese Zielgruppe ausgerichtete Informationsangebote gibt. Auch hier können sich Unternehmen mit interessanten Themen präsentieren. „Wichtig ist, dass es sich um gute Themen und nicht um ‚plumpe‘ Werbung handelt“, empfiehlt Lucie Großstück. „Das kann zum Beispiel ein Praxisbericht sein in der Art ‚Warum wir Wert darauf legen, mit den Eltern unserer Auszubildenden ins Gespräch zu kommen – und im Gespräch zu bleiben“, oder ein Kurzvortrag zum Thema ‚Starke Eltern, starke Azubis – so stärken Sie Ihr Kind für einen gelungenen Berufseinstieg‘. Die Messeveranstalter sind ihrerseits froh, wenn sie interessante Angebote für Eltern haben, man muss mit ihnen also einfach das Gespräch suchen und herausfinden, was machbar und sinnvoll ist.“

Dieser Ansatz lässt sich ausweiten, fährt Lucie Großstück fort: „In Abstimmung mit regionalen Partnern wie der IHK, Jugendämtern oder Schulen können Unternehmen eigene Veranstaltungen mit wenig Aufwand zum Beispiel online organisieren. Denken Sie an Themen wie ‚Mathematik in der Ausbildung von Elektroberufen – nicht geschenkt, aber auch kein Hexenwerk‘ oder ‚Zehn Praxistipps für die Suche nach dem passenden Ausbildungsbetrieb‘. Mit solchen Veranstaltungen unterstreicht ein Ausbildungsbetrieb seine Professionalität und sein Engagement in der Region. Man muss hier sicher etwas experimentieren und Erfahrungen sammeln – aber es lohnt sich! Wenn ein Betrieb von den Eltern wahrgenommen wird und ihnen positiv im Gedächtnis bleibt, multipliziert er damit seine Chancen, dass sich Jugendliche für die Ausbildung bei ihm interessieren – das ist das Ziel.“

Eltern als Bindeglied ins soziale Umfeld der Azubis

Einen wichtigen abschließenden Impuls gibt die Expertin noch mit einem Blick über das Azubimarketing hinaus: „Ausbilderinnen und Ausbilder werden in den meisten Fällen davon profieren, einen Kontakt zu den Eltern der Auszubildenden herzustellen und diesen auch während der Ausbildung zu pflegen. Denn wenn ich die Eltern ein wenig kennengelernt habe, verstehe ich auch das soziale Umfeld besser, aus dem meine Auszubildende bzw. mein Auszubildender kommt. Dadurch fällt es mir automatisch leichter, mich auf die individuelle Persönlichkeit einzulassen. Auch wenn es zu Schwierigkeiten kommt, kann es sehr hilfreich sein, mit Bedacht auch die Eltern einzubeziehen – natürlich nicht hinter dem Rücken der bzw. des Auszubildenden und nicht als ‚Entmündigung‘. Es muss immer klar sein, dass alle sich dafür einsetzen, die Jugendlichen zu stärken und ihre Potenziale zu fördern. Im besten Falle entwickelt sich eine echte Gemeinschaft von Auszubildenden, ihren Eltern und den in der Ausbildung Mitarbeitenden, die sich Jahr für Jahr fortsetzt. Hier tauscht man sich aus, man unterstützt sich gegenseitig und feiert gemeinsame Erfolge. So etwas spricht sich herum und entfaltet ganz viele positive Wirkungen in der laufenden Ausbildung und bei der Suche bzw. Auswahl neuer Auszubildender.“            

 Weiterführende Informationen

Initiative der bayerischen IHKs für Eltern https://www.bihk.de/eltern

Beispiele für Veranstaltungen, bei denen Eltern explizit angesprochen werden und an denen sich Unternehmen ggf. auch beteiligen können, finden Sie hier 

Wenn Sie eigene Veranstaltungen realisieren, können Sie diese ebenfalls auf der Seite publizieren.
Nehmen Sie gerne Kontakt auf: info[at]bihk.de  

Im Text aufgeführte weitere Impulse

IHK AusbildungsScouts/IHK KarriereScouts

Gute Ausbildung spricht für sich - ein Praxisbericht über die IHK AusbildungsScouts aus Unternehmenssicht

Ihr Auftritt ist gefragt - Tipps für den gelungen Unternehmensauftritt auf Ausbildungsmessen