Wer gibt, der bekommt auch

PraxisInterviews

Die BertelsmannStiftung hat im April 2022 eine repräsentative Umfrage zum Thema „Jugend und Nachhaltigkeit“ durchgeführt (die Studie ist hier abrufbar). Zu den wichtigsten Ergebnissen zählt:

  • Drei Viertel aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen legen selbst Wert darauf, sich nachhaltig zu verhalten. 
  • Auch wirtschaftliches Handeln wird als Beitrag für mehr Nachhaltigkeit gesehen. So möchte jeder Zweite in einem Unternehmen arbeiten, das einen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Vier von fünf der Befragten betonen die Bedeutung, die innovative Unternehmen für eine nachhaltige Entwicklung haben.
     

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Gewinnung von Auszubildenden und für die Durchführung der Ausbildung im Unternehmen? Darüber sprachen wir mit der Ausbildungsleiterin Sophia Sigl und dem Leiter HR Operations, Pfaffenhofen, Josef Hönig. Beide verantworten beim Babynahrungshersteller HiPP, dass Nachhaltigkeit als Mittelpunkt der HiPP-Unternehmensphilosophie eben auch in der Ausbildung praktisch umgesetzt und gelebt wird. 


Herr Hönig, dass sich ein Hersteller von Babynahrung für Bio-Qualität von A bis Z einsetzt, liegt nahe. Und dass viele Jugendliche und junge Erwachsene das gut finden, liegt auch nahe. Aber Nachhaltigkeit umfasst auch die soziale Verantwortung des Unternehmens – nicht „nur“ nach außen, sondern ebenso im Inneren. Wie sieht es da aus? Ist das ein Thema für HiPP bzw. für die Ausbildung bei HiPP?

Josef Hönig: Sie haben völlig recht, von Nachhaltigkeit zu sprechen und hierbei den Aspekt des sozialen Miteinanders außen vor zu lassen, wäre ein Etikettenschwindel. Deshalb hat die soziale Verantwortung bei uns nicht nur ein bisschen Bedeutung. Sie nimmt einen ganz wesentlichen Stellenwert ein. Soziale Verantwortung zählt zum Markenkern von HiPP, den wir zum Beispiel durch unser Engagement in zahlreichen sozialen Projekten sowie in der täglichen Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern und Kunden nach außen tragen. Als Teil unserer Corporate Identity prägt soziale Verantwortung selbstverständlich auch die gesamte Zusammenarbeit im Unternehmen und dabei ganz besonders, wie wir uns als Ausbildungsbetrieb verstehen und junge Menschen bei uns ausbilden. 

Sophia Sigl: Unser Ausbildungskonzept heißt „Ausbildung und mehr“. Dieses „Mehr“ bedeutet für uns, den Menschen konsequent in den Mittelpunkt zu stellen. Das bemerken unsere Ausbildungsplatzbewerberinnen und -bewerber schon beim Kennenlerngespräch: Wer das erste Mal bei uns vor Ort ist, erlebt sofort: Hier kennt man sich untereinander, man grüßt und achtet sich. Wir sind ein sehr wertverbundenes Unternehmen und das stellen wir bewusst auch nach außen dar.

Und die Resonanz der Jugendlichen auf Ihre Werteorientierung gibt Ihnen offensichtlich auch recht?

Sophia Sigl: Unser Unternehmen genießt als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb hier in der Region ein sehr hohes Ansehen. Wer mit unseren Werten nichts anfangen kann, für den sind wir auch nicht das passende Unternehmen, soviel ist klar. Aber nach unserer Erfahrung finden viele Jugendliche und junge Erwachsene die Werte, die wir nach außen kommunizieren und im betrieblichen Alltag in jeder Hinsicht auch leben, sehr attraktiv. 

Josef Hönig: Wenn wir sagen „der Mensch – in der Ausbildung also die bzw. der Auszubildende – steht im Mittelpunkt“, bedeutet das bereits eine Wertschätzung, die wir ernst meinen und auch in die Tat umsetzen. Unsere Auszubildenden stellen sehr schnell fest, dass niemand im Unternehmen sie von oben herab behandelt, sondern immer auf Augenhöhe kommuniziert wird. Die Ausbilderinnen und Ausbilder sind für ihre Azubis da und wollen, dass sich die jungen Erwachsenen bei uns nicht nur fachlich, sondern auch persönlich entwickeln. Wir laden unsere Azubis ein, Teil unseres besonderen Unternehmens und unseres wertschätzenden Miteinanders zu werden.

Können Sie uns ein Beispiel geben, inwiefern die Jugendlichen soziale Verantwortung als Teil der Unternehmensphilosophie erleben und selbst auch entwickeln können?

Sophia Sigl: Das Arbeitsklima und unsere offenen und höflichen Umgangsformen sind sicher das erste, was ihnen auffällt. Beim Bewerbungsgespräch sind für uns die Schulnoten nicht das final entscheidende Auswahlkriterium. Wir wollen immer auch herausfinden, wie gut jemand sozial integriert ist. Gibt jemand Nachhilfe oder trainiert er oder sie eine Sportmannschaft? Engagiert sich ein junger Mensch bei der freiwilligen Feuerwehr? Das heißt: Uns ist sehr wichtig, welche Bereitschaft zur Übernahme eigener sozialer Verantwortung jemand mitbringt. 

Zum Einstieg in ihre Ausbildung nehmen bei uns alle neuen Auszubildenden an einer fünftägigen Starterwoche teil. Bei diesem Onboarding lernen sie spielerisch das Unternehmen kennen, sie können und sollen sich untereinander vernetzen, sie lernen einige Führungskräfte und Mitarbeitende kennen und, auch das kommt sehr gut an, wir erklären hier einige für uns alle bei HiPP geltende Verhaltensregeln für unseren Umgang miteinander. Dazu wollen wir Ausbilderinnen und Ausbilder auch Vorbilder sein. Denn wenn wir Respekt und Wertschätzung von den Jugendlichen einfordern, müssen wir sie ihnen gegenüber auch selbst zeigen. Ich denke das sind alles Beispiele dafür, wie wir soziale Verantwortung in der Ausbildung leben und wie wichtig dieses Thema für uns im Unternehmen ist.

Josef Hönig: Ich möchte an der Stelle auf jeden Fall auch auf HiPP JUNIOR hinweisen, unsere Azubi-Firma in der Firma. Die Auszubildenden arbeiten hier in Teams ganz selbstständig an Projekten, zum Beispiel an der Entwicklung neuer Produkte, im Mediabereich oder auch im Azubimarketing. Die Auszubildenden im zweiten Ausbildungsjahr betreuen zum Beispiel die Durchführung unserer Schülerpraktika in Eigenverantwortung. Sie übernehmen die Gastgeber-Rolle, nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Empfang und begleiten sie durch das Programm. Sie sorgen dafür, dass die richtigen Infos zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen, kurz gesagt: Sie kümmern sich und übernehmen damit soziale Verantwortung. Davon profitieren wir enorm, denn wenn Jugendliche zu Jugendlichen sprechen, ist das authentisch und etwas ganz anderes, als wenn wir uns hinstellen und denen etwas über HiPP und ihre Möglichkeiten eines Berufseinstiegs bei uns erzählen. Wir sehen, wie stolz unsere Azubis sind, wenn sie zeigen und erklären können, wie viel Spaß es ihnen bei uns macht, dass sie das Unternehmen gut finden und dass sie gerne ein Teil davon geworden sind. 

Sophia Sigl: Ich denke, das Prinzip „übernimm Verantwortung, probiere Dich aus und sammle Erfahrungen“ zieht sich durch die gesamte Ausbildung bei uns. Denn nur über diesen Weg kann die  Bereitschaft weiter wachsen, soziale Verantwortung selbst zu übernehmen. Spätestens, wenn es um die Übernahme nach dem Ausbildungsabschluss geht, steht dieser Punkt auf der Liste: Wie gut ist jemand bei uns im Unternehmen integriert? Nachhaltigkeit wird ja manchmal auf die Bedeutung „langfristig“ verkürzt. Bei der sozialen Verantwortung, wie wir sie verstehen, geht es aber tatsächlich auch sehr viel um ein langfristiges Miteinander im Unternehmen und um eine langfristige gemeinsame Zukunft. 

Wenn Ausbilderinnen und Ausbilder das Thema in ihrem Ausbildungsalltag oder vielleicht sogar im ganzen Unternehmen stärken möchten, welche Tipps geben Sie? 

Sophia Sigl: Man sollte sich kleine Etappen vornehmen, um die Ausbildung weiterzuentwickeln. Denn so können alle Beteiligten auch immer wieder Erfolge „feiern“ und es entsteht eine Lust auf mehr davon. Nachhaltigkeit bzw. ökologische und soziale Verantwortung als bloße Etiketten bringen nichts und genauso wenig wird man Begeisterung auslösen, wenn man von jetzt auf gleich alle Konzepte, Prozesse und Verantwortlichkeiten auf Nachhaltigkeit trimmen will. Deshalb: Kleine Etappen, viele Erfolge, immer mehr Begeisterung und Identifikation.

Josef Hönig: Am wichtigsten sind Mitstreiter, die für das Thema brennen, idealer Weise Mentoren in der Geschäftsleitung. Bei HiPP verkörpert das Claus Hipp seit Jahrzehnten. Aber natürlich stellt Nachhaltigkeit nicht in jedem Unternehmen den Dreh- und Angelpunkt aller Entscheidungen und den Kompass für die Ausrichtung der Ausbildung dar. Deshalb ist der wichtigste Schritt, sich Mitstreiter zu suchen und sich zu trauen, neue Wege in diese Richtung zu gehen. Dann kommen die positiven Erfahrungen, dann kommt etwas ins Rollen, also: Traut Euch!

Und was ist beim Umgang mit den heutigen Jugendlichen aus Ihrer Sicht und mit Blick auf die soziale Verantwortung auf jeden Fall wichtig? 

Josef Hönig: Unternehmen müssen in ihrer Kommunikation klar verständlich und überzeugend darstellen, was Nachhaltigkeit für sie bedeutet und wie sie sie im Alltag und besonders auch in der Ausbildung mit Leben füllen. Sehr viele Jugendliche denken über ihre Zukunft in unserer Welt nach und wollen daher auch wissen, wie sich ihr vielleicht zukünftiger Arbeitgeber hierzu positioniert. Sie erkennen ganz genau: Keine Antwort ist auch eine Antwort.

Sophia Sigl: Meine Erfahrung lautet: Die Auszubildenden geben zurück, was sie bekommen. Das ist eine Spirale, die sich entweder nach oben oder nach unten dreht. Als Ausbilderin oder Ausbilder muss ich mir also die Frage stellen, was bekommen unsere Auszubildenden wann und wie von uns? Wenn ich möchte, dass meine Auszubildenden von sich aus gerne Verantwortung übernehmen, ob nun für ihre beruflichen Aufgaben, für ihr selbstbestimmtes Lernen oder für unser Miteinander im Unternehmen, dann muss ich ihnen diese Verantwortung auch gerne zugestehen und bewusst geben. Führen heißt auch, Vertrauen zu schenken.

Josef Hönig: Dieser Aspekt hat eine ziemlich weitreichende Bedeutung. Bei uns sind im Team der Ausbilderinnen und Ausbilder mehrere Generationen vertreten, das ist in vielen mittelständischen Unternehmen nicht anders. Die älteren von ihnen verfügen über mehr Führungserfahrung, von der die jüngeren viel lernen können. Aber sie müssen auch dazu bereit sein, immer wieder zu reflektieren und zu hinterfragen, ob ihr Führungsverständnis in dieser oder jener Hinsicht vielleicht nicht mehr zu den heutigen Jugendlichen passt. Wir brauchen beim Ausbildungspersonal also eine hohe Sensibilität für die Fragen des Miteinanders der Generationen – wahrscheinlich sogar höher als in den allermeisten anderen Unternehmensbereichen. Für diese Sensibilität zu sorgen, sich den Herausforderungen bewusst zu stellen und Konsens im Team zu erreichen, ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt sozialer Verantwortung – Sophia, den Job habe ich viele Jahre bei HiPP gemacht, jetzt liegt die Aufgabe bei Dir und die ist nicht immer ganz easy. 

Sophia Sigl: Nur zu, es muss ja auch Herausforderungen geben (lacht).

Frau Sigl, Herr Hönig, vielen Dank für Ihre Erfahrungen, Ihre interessanten Einblicke und klaren Tipps zu diesem zukunftsweisenden Thema.


 
Zu den Interviewpartnern

Sophia Sigl

  • Jahrgang 1993
  • Ausbildung zur Industriekauffrau (bei HiPP)
  • Berufseinstieg bei HiPP als operative Einkäuferin im Bereich Rohstoffeinkauf 
  • 2018 Wechsel in die Personalabteilung und Mitwirkung in der Ausbildung
  • 2021 Ausbilderschein nach AEVO und seitdem zuständig für die kaufmännische Ausbildung sowie für die Ausbildungsleitung


Josef Hönig 

  • 1997 Berufseinstieg als Trainee bei HiPP
  • seit 1999 als Personalreferent in verschiedenen Rollen in der Personalabteilung tätig, inklusive Leitung der Nachwuchsförderung bei HiPP
  • seit 2023 Leiter HR Operations, Pfaffenhofen

 

Zum Unternehmen

HiPP GmbH & Co. Vertrieb KG
HiPP zählt zu den führenden Herstellern für Bio-Babynahrung und ist eine der bekanntesten Marken Deutschlands. Stefan Hipp leitet das Familienunternehmen in der vierten Generation und führt die Tradition einer konsequent auf ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit ausgerichteten Wirtschaftsweise zukunftsgerichtet fort. Bereits seit 1956 werden für die für die Herstellung benötigten Rohstoffe auf ökologisch bewirtschafteten Böden angebaut. In den folgenden Jahrzehnten, besonders unter der Leitung von Claus Hipp, entwickelte sich HiPP zu einem der Vorreiter in Sachen Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz sowie zu einem Synonym für nachhaltiges Unternehmertum. Heute beschäftigt das Unternehmen über 3.000 Mitarbeitende weltweit und vertreibt sein Produktportfolio mit rund 400 verschiedenen Artikeln in den Bereichen Baby- und Kleinkindernährung, Schwangerschafts- und Babypflege, Windeln sowie Sondennahrung in 60 Ländern. 

Aktuell bildet das Unternehmen am Standort Pfaffenhofen a. d. Ilm insgesamt 51 Auszubildende in neun Berufen aus. 

Ausführlicher Informationen zum Unternehmen und zu seinen Ausbildungsaktivitäten finden Sie hier.
 


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