Türöffner für Sympathie und Identifikation

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Wer darüber nachdenkt, wie das eigene Unternehmen potenzielle neue Auszubildende oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern optimal ansprechen kann oder wie Kolleginnen und Kollegen für ein internes Qualifizierungsprogramm begeistert und motiviert werden können, der sollte jetzt weiterlesen. Denn mit einem guten Namen lässt sich so manche Stellschraube für den Erfolg noch ein Stück weiterdrehen, vorausgesetzt die Entscheiderinnen und Entscheider nehmen sich ausreichend Zeit für die Namensfindung und verfügen über etwas Mut und Humor …

Herr Leiblein, Sie haben sich auf die Namensfindung für Unternehmen spezialisiert. Inwiefern können nicht nur Produkte, sondern auch die betriebliche Ausbildung oder das Recruiting von guten Namen profitieren?

Mark Leiblein: Im Prinzip braucht ja alles einen Namen, ob es sich dabei um ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Ausbildungsangebot oder eine internes Weiterbildungsprogramm handelt. Mit einem bewusst gewählten Namen zielen wir immer auf ähnliche Wirkungen, nur wird dieses Potenzial im Recruiting sowie in der Aus- und Weiterbildung oft nicht ausgeschöpft. Man wählt dann Titulierungen, die einfach zu beliebig, langweilig und austauschbar sind, etwa „get forward“ für eine Softwareschulung oder „PLUS-Ausbildung“ für erweiterte Ausbildungskomponenten.

Ein guter, bewusst gewählter Name fällt dagegen auf, macht neugierig und signalisiert Einzigartigkeit. In den Köpfen der Adressaten entsteht ein anderer Zugang zu dem, um was es geht. Der Name fungiert als Magnet, zugleich als Türöffner und gibt im Idealfall auch gleich Orientierung, was die Angesprochenen hinter dieser Türe erwartet. Mit guten Namen können wir also zum Beispiel die besonderen Ausbildungsaktivitäten eines Unternehmens spannender transportieren, wir können die Identifikation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steigern und nicht zu vergessen: Mit einem Hashtag davor können wir das alles sehr wirkungsvoll in den sozialen Medien verbreiten und viral multiplizieren. „#AzubiBeiUnternehmenXY“ – das funktioniert wahrscheinlich nicht, also brauchen wir auch hierfür einen originellen, starken Namen.

Ist das nicht ein bisschen viel von einem Namen erwartet?

Nein, eigentlich nicht. Schauen Sie, man gibt ja nur solchen Dingen einen Namen, die man wichtig findet und in irgendeiner Weise „lieb“ gewonnen hat. Für den Namen ihres Kindes nehmen Eltern sich Wochen oder sogar Monate Zeit und überlegen alle möglichen Assoziationen. Wir haben immer wieder Unternehmensprojekte, bei denen der Prozess der Namensfindung sogar noch länger dauert. Letztlich zeigt jeder originelle Name sofort an, dass das Unternehmen hier nicht nach Schema F vorgegangen ist, sondern sich etwas überlegt hat. Es geht also darum, das Konventionelle hinter sich zu lassen.

Das fällt aber nicht jedem leicht, oder?

In der Tat, dazu gehört erst einmal Mut und es fordert typischerweise auch die Bedenkenträgerinnen und Bedenkenträger heraus: „Was soll das denn sein? Klingt wie …“, das sind ganz typische Abwehrreaktionen aus der Unsicherheit heraus, einen neuen Weg zu beschreiten. Bei der Namensgebung gehen Unternehmen leider zu oft den vermeintlich sicheren Weg, indem sie zum Beispiel bei Testkunden oder in der Belegschaft einfach nur fragen: „Wie gefällt Ihnen der Name XY?“. So geht das Außergewöhnliche schnell verloren.

Besser wäre, den Kontext in der Frage mit aufzuführen, also zum Beispiel: „Kannst Du Dir vorstellen, dass dieser Name Schülerinnen und Schüler anspricht?“ Oder: „Wenn wir uns alle ab sofort als XY bezeichnen, würden auch Sie bei der nächsten Messe ein T-Shirt tragen ‚Ich bin eine stolze/ein stolzer XY‘?“    

Damit sind wir bei der Frage: Wie kommt eine Ausbilderin bzw. ein Ausbilder oder eine Personalerin bzw. ein Personaler zu einem guten Namen für das Azubi-Marketing, eine Stellenbeschreibung oder ein Personalentwicklungsprogramm?

Das Wichtigste ist es, Zeit für die Namensfindung einzuplanen. Ein Brainstorming am Freitagnachmittag für die Präsentation am Montag, das funktioniert nicht. Außerdem empfehle ich, sich Klarheit über die Ziele zu verschaffen. Was genau soll der Name transportieren und was nicht? Wer gehört mit ins Boot der Namensentwicklung bzw. Entscheidung, auch diese Frage sollte gleich am Anfang geklärt sein. Idealerweise sollten erwartbare Bedenkenträgerinnen und Bedenkenträger aktiv in den Entwicklungsprozess einbezogen werden.

Was die Kreativtechniken angeht, gibt es keine perfekte Methode. Ich halte ein Brainwriting zum Starten für zielgerichteter als ein Brainstorming. Im ersten Schritt sollte wirklich alles an Ideen zugelassen sein, ohne Wenn und Aber. Gute Erfahrungen haben wir mit der 6-3-5-Methode und der Osborn-Methode gemacht. Je nach Team-Zusammensetzung ist es gar nicht so einfach, die Blockaden zu lösen, wenn beispielsweise der Chef mit am Tisch sitzt. Dazu kann man sich evtl. auch eine Moderation oder einen Coach von außen hinzunehmen. Die Hierarchien sollten in solchen Workshops ausgeblendet werden, damit auf den ersten Blick vielleicht absurd klingende Vorschläge bestehen bleiben können. Und dann, wie gesagt, eine Runde führt selten zum gewünschten Ergebnis, man braucht mehrere, um sich mit unkonventionellen Vorschlägen anfreunden zu können, mit der Brechstange geht das nicht.

Was halten Sie von Namensgeneratoren oder ähnlichen Angeboten im Netz?

Namensgeneratoren können durchaus als Ideenlieferanten und zur Inspiration dienen. Manche bringen auch die nützliche Funktion mit, dass für mehrere Stichwörter automatisch alle möglichen Kombinationen erstellt werden, was manuell erhebliche Arbeit verursachen würde. Allerdings können solche Tools nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn man vorher seine Hausaufgaben gemacht und beispielsweise im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen oder mit aktuellen Auszubildenden schon geklärt hat, in welche Richtung ein Name gehen soll. Letztlich nimmt ein Namensgenerator einem auch nicht die Entscheidung ab, wie der finale Name nun lauten soll. Wir entwickeln derzeit neue Ansätze in Verbindung mit KI-Systemen und hoffen hierdurch, sprachlich-grammatische, rechtliche und letztlich auch geschmackliche Anforderungen an ein Namensthema noch besser abbilden zu können.

Was meinen Sie mit „Namensthema“?

Viele Projekte, und dazu zähle ich jetzt auch einmal solche Vorhaben wie eine besondere Ausbildungskampagne oder neue Wege beim Recruiting, brauchen eigentlich nicht nur einen einzelnen Namen, sondern ein kampagnenfähiges Leitmotiv, also ein Namensthema. Die Wirkung entfaltet sich über weitere Elemente wie ein Grafik-Design, Labels oder eine Serie von Headlines für verschiedene Kommunikationsaufgaben. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein Weiterbildungsprogramm oder die Ausbildung im Unternehmen könnte man als Abenteuer verstehen. Nun wäre die Aufgabe, für dieses Abenteuer ein Filmplakat zu entwerfen und letztlich natürlich auch den beim Publikum zündenden Filmtitel zu entwickeln. Aus dem Ansatz entsteht ein eigener Look and Feel und der Name, so wird das Ganze ein ganzer Baukasten für die Kommunikation und zugleich etwas wirklich Besonderes.

Welche Empfehlungen können Sie noch geben?

Humor ist immer gut. Namensverlängerungen, zum Beispiel mit einem „+“ wie „TraineePLUS“ oder mit einer Jahreszahl „2021“ wie „Azubi2021“, – das begeistert nicht. Je nach Unternehmen und Vorhaben müssen sicher auch die internationale Verwendbarkeit und das Markenrecht beachtet werden. Aber ansonsten kann ich nur empfehlen: Seien Sie mutig! Wer von Jugendlichen beachtet werden will und Menschen auf besondere Art ansprechen möchte, erreicht dies nicht durch Langeweile.  

Herr Leiblein, vielen Dank für das interessante Gespräch.

 

Fünf Tipps zur Namensfindung

  1. Nehmen Sie sich Zeit für den Prozess der Namens- /Themafindung.
  2. Haben Sie Mut, Einzigartigkeit zu transportieren, aufzufallen und zu polarisieren.
  3. Beziehen Sie Personen der anvisierten Zielgruppen in die Namensfindung mit ein (entwickeln Sie den Namen bzw. das Namensthema nicht für den Chef, sondern für die Zielgruppe).
  4. Denken Sie einen Namen/ein Namensthema weiter mit Blick auf seine Umsetzbarkeit als Kampagne in Social Media, Anzeigen, auf der eigenen Homepage, in Informationsflyern für Schulen usw.
  5. Überprüfen Sie einen potenziellen Namen mit Blick auf Markenrechte und ggf. (klangliche) Missverständnisse in anderen Sprachen. Lassen Sie sich aber nicht durch unwahrscheinliche Eventualitäten davon abhalten, einen originellen Namen einzusetzen, siehe Nr. 2: Haben Sie Mut.

 

Zur Person

Mark Leiblein

2005: Gründung der Namensagentur Namestorm
2010: Gründung des Namens-Startup „NameRobot“
2020: Gemeinsam mit Gila Dassel Veröffentlichung des Praxisratgebers „Starke Namen; Mit der Namestorm-Methode Firmen- und Produktnamen entwickeln“, Linde Verlag