Tapas statt 5-Gänge-Menü
Die gesamte Geschäftswelt ist sich einig: Nach der Pandemie wird sich die Arbeitswelt so stark verändert haben wie in den letzten fünf Jahrzehnten nicht: Sie wird deutlich agiler, digitaler und selbstorganisierter sein, oder kurz: willkommen im „New Normal“. Doch der Transformationsprozess wird nicht von sich aus ein Erfolg. Weiterbildung wird mehr denn je erforderlich sein, damit der Wandel gelingt. Doch wie sieht das „New Normal“ bei den Weiterbildungen aus?
Digitaler
Vor der Pandemie fanden rund 70 Prozent aller Weiterbildungsangebote in Präsenz statt. Lediglich 17 Prozent wurden digital und nur 13 Prozent wurden in hybrider Form durchgeführt (1). Die Einschränkungen der Pandemie veränderten den Markt der Weiterbildung und die Angebote im Turbo. Präsenz war auf einen Schlag nicht mehr möglich. Nach einem annähernden Totalausfall stellten viele Bildungsanbieter zügig auf digitale Formate um. Die daraus gewonnenen Erfahrungen brachten zukunftsweisende Erkenntnisse. Es stellte sich heraus, dass sich digitale Formate für bestimmte Themen besonders gut eignen...
Digitale Weiterbildung eignet sich besonders für
Dieses Ergebnis korrespondiert erfreulicherweise mit dem Weiterbildungsbedarf in der Wirtschaft. Denn laut einer KfW-Studie (2) sehen Unternehmen den größten Bedarf an Qualifizierungen zur Steigerung der Digitalkompetenzen. Dieses Bildungssegment hat mit einem Plus von rund 27 Prozent den größten Wachstumsschub gewonnen.
Demgegenüber bleiben Präsenzformate unangefochten die erste Wahl, wenn es um diese Zielsetzungen geht ...
Weiterbildung in Präsenz besonders für diese Ziele
Mittelfristig werden sich voraussichtlich hybride Formen durchsetzen, bei denen Lehr- und Lernbausteine in Präsenz für einen direkten sozialen Austausch und solche der digitalen Wissens- bzw. Kompetenzvermittlung miteinander kombiniert werden.
Modularer und flexibler
Im Präsenzformat wurden bisher vor allem umfassende Wissens- bzw. Kompetenzeinheiten vermittelt. Das hat sich in den letzten Jahren zusehends geändert. In Zukunft wird Weiterbildung wesentlich kleinteiliger organisiert sein. Denn in eine modularisierte Arbeitswelt, in der Arbeiten im Büro und mobiles Arbeiten Hand in Hand gehen, lassen sich kleine „Lernhäppchen“ besser integrieren als lang andauernde Bildungszeiten. Mehrere einstündige digitale Trainingseinheiten können Beschäftigte einfacher als ganztägige Kompletteinheiten während ihrer Arbeit im Homeoffice absolvieren. Bildlich gesprochen werden also „Tapas“ gefragter sein als „5-Gänge-Menüs“. Dies wird zur Folge haben, dass die Weiterbildungsangebote noch flexibler gestaltet werden müssen, insbesondere mit Blick auf die Faktoren Zeit, Durchführungsmodelle und Ort. Beispielsweise können als Video vorproduzierte Lernmodule oder interaktive Übungsprogramme zu jeder Zeit und von jedem Ort aus online abgerufen werden.
Kurz gesagt: Die Vielfalt der Bildungsformate und die Differenzierung der lernzielspezifischen Medien und Methoden werden weiter zunehmen: Die digitale Transformation wird die Weiterbildung bunter und flexibler, vielleicht aber auch beliebiger und oberflächlicher machen – das wird die Zukunft erst noch zeigen.
Individueller bzw. gezielter
In die Zukunft gedacht können mit modulareren und flexibleren Angeboten letztlich sogar individuell zugeschnittene Angebote platziert werden. Ob am PC, per Smartphone oder als Live-Chat, Video, Game-Based-Learning oder als Augmented-Reality-Anwendung: Ein Lernziel kann in Zukunft auf verschiedenste Weisen und in unterschiedlichen Komplexitätsgraden vermittelt werden, je nachdem, um welchen Lerntyp es sich handelt, welcher Qualifizierungsbedarf besteht und in welchem beruflichen Kontext die Anwendung des Erlernten erfolgen soll. Digitalisierung ermöglicht ein zunehmendes Customizing, das lässt sich in der Industrie schon heute beobachten und wird sich wohl auch in der beruflichen Weiterbildung wiederfinden.
Diese sich abzeichnende Entwicklung korrespondiert mit der Erwartung der Unternehmen, dass der Bedarf an unmittelbarer Unterstützung am mobilen Arbeitsplatz zunehmen wird. Wenn für ein Problem nicht direkt an Ort und Stelle Unterstützung hinzugeholt werden kann, muss diese anders organisiert werden. Für den sogenannten „Performance Support“, also die Unterstützung direkt am Arbeitsplatz, braucht es somit neue Zugänge zu Know-how, mit dem Beschäftigte ihre Fragen beantworten und Probleme selbstständig lösen können. In der Folge werden Personalabteilungen noch enger mit den Fachabteilungen zusammenarbeiten, wenn es darum geht, welche Informations-, Weiterbildungs-, Schulungs- und Wissensmanagementkonzepte ins Unternehmen geholt bzw. neu aufgebaut werden sollen. Das wiederum bedeutet, dass auch die Bildungsanbieter verstärkt über neue Geschäftsmodelle bzw. weiterentwickelte Geschäftsmodelle nachdenken müssen.
Dynamischer
Die digitale Arbeitswelt im Allgemeinen und die digitale Bildung im Besonderen werden sich schon aufgrund des technischen Fortschritts auch weiterhin mit großer Dynamik weiterentwickeln und gegenüber dem Arbeiten und Lernen in Präsenz ganz neue Möglichkeiten eröffnen. In der digitalen Welt entfallen Grenzen, die sonst bestehen: Die Anzahl der an einer Weiterbildung Teilnehmenden kann für die Bildungsträger viel flexibler gehandhabt werden, sowohl in Richtung Individualisierung als auch in Richtung digitaler Massenvorlesungen. Wo die Teilnehmenden sich gerade aufhalten, spielt in vielen Fällen keine Rolle mehr.
Diese Dynamik wird dem lebenslangen Lernen noch mehr Schub geben, denn Stand heute gibt es noch erhebliches Ausbaupotenzial. So liegt Bayern bei der durchschnittlichen Weiterbildungsbeteiligung im bundesweiten Ranking zwar im ersten Drittel, jedoch gibt es zwischen den Landkreisen große Differenzen (3). Und noch viel wichtiger: Leider nehmen Geringqualifizierte und sozial schwächere Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer digitale Bildungsangebote wesentlich seltener wahr. Die Gefahr, dass gerade die von Bildung abgehängt werden, die sie am dringendsten benötigen würden, um aus der Armutsspirale herauszukommen, steigt. Vielleicht kann auch hier der Trend hin zu ausdifferenzierteren, kleineren Lerneinheiten bis hin zu individuell zugeschnittenen Bildungsmodulen eine zusätzliche positive Wirkung entfalten: hin zu mehr qualifizierten Fachkräften im Interesse erfolgreicher Unternehmen.
Quellen
(1) Trends in der betrieblichen Weiterbildung 2021. Eine Umfrage von PricewaterhouseCoopers und Digital Business University; Stand: Juli 2021
(2) Leifels, Arne: Weiterbildung bricht in der Krise ein – Bedarf an Digitalkompetenzen wächst. In: KfW Research, Fokus Volkswirtschaft, Nr. 329 vom 19. April 2021
(3) Pressemitteilung - Große regionale Unterschiede bei der Weiterbildungsbeteiligung in Bayern. In: Frick, Frank/Wittenbrink, Lena: Deutscher Weiterbildungsatlas. Teilnahme und Angebot in Kreisen und kreisfreien Städten. Hrsg. von der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh 2018