Schlummernde Potenziale erkennen

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Das ist Fakt: Rund 20 Millionen Menschen verfügen für ihre beruflichen Aufgaben über keinen formalen Berufsabschluss. Sei es, weil sie nie an einer Abschlussprüfung teilgenommen haben, weil sie als Quereinsteiger mit einer ganz anderen Qualifizierung im Betrieb „gelandet“ sind oder weil sie im Ausland eine Ausbildung absolviert haben, die es so in Deutschland nicht gibt: Viele von ihnen hätten das Zeug zu mehr, wenn man nur genau wüsste, was sie aktuell wirklich alles können.

Beispiel Logistik: Da ist jemand vor Jahren als Aushilfe eingestiegen, dann übernommen worden und arbeitet seitdem still und gewissenhaft – mittlerweile mit allen Abläufen und Tätigkeiten bestens vertraut. Ähnliche Beispiele finden sich oft in der Gastronomie und Hotellerie, in der Metallverarbeitung, im Einzelhandel, aber auch in IT- und elektrotechnischen Bereichen und Tätigkeitsfeldern wie Mediengestaltung oder Maschinen- und Anlagenführung.

Nachschub „echter“ Fachkräfte   

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „ValiKom Transfer“ richtet sich an genau diese Menschen – und ihre Arbeitgeber! Diese können ihre Beschäftigten ermutigen, sich ihre Kompetenzen kostenlos durch einen „Abgleich“ mit einem Ausbildungsabschluss dokumentieren, bewerten und zertifizieren zu lassen. Im Bereich der IHKs stehen dazu aktuell 19 Referenzberufe (s. u.) zur Verfügung. Derzeit nehmen an dem Projekt bundesweit 11 Handwerkskammern, 17 Industrie- und Handelskammern sowie 2 Landwirtschaftskammern teil. Die offizielle Informationsseite zum Projekt mit den Kontaktdaten der teilnehmenden IHKs, HWKs und LWKs finden sie hier, die IHK-Ansprechpartnerinnen und -Ansprechpartner für die Region Bayern finden Sie am Schluss dieses Artikels.

Das Validierungsverfahren selbst erfolgt in vier Schritten:

  1. Initial-Information und Beratung
    Oft sind es die Personalverantwortlichen in den Unternehmen, die Kandidatinnen und Kandidaten auf die Möglichkeit der Kompetenzfeststellung ohne Prüfung aufmerksam machen. Sie geben den wichtigen ersten Impuls und vermitteln den Kontakt zur zuständigen Kammer, beispielsweise der IHK. Die IHK-Beraterinnen und -Berater informieren im persönlichen Gespräch über alle Einzelheiten des Projekts und können ggf. auch alternative Möglichkeiten der Kompetenzfeststellung für verschiedene berufliche Biografien aufzeigen, zum Beispiel rund um die Berufsanerkennung ausländischer Berufsabschlüsse nach BQFG.
     
  2. Dokumentation
    Im nächsten Schritt dokumentiert die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer ihre bzw. seine beruflichen Fähigkeiten entlang des eigenen Lebenslaufs. Ein Selbsteinschätzungsbogen ergänzt diese Bestandsaufnahme aus Sicht der Teilnehmenden.
     
  3. Bewertung
    Berufsexperten werten diese Informationen aus. In Zusammenarbeit mit ihnen zeigt die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer dann konkret, wie sie bzw. er praktische Aufgaben im Betrieb löst. Diese Arbeitsproben stellen keine Prüfung dar, sondern erfolgen in ungezwungener kooperativer Atmosphäre, idealerweise sogar im bestehenden Unternehmen.
     
  4. Zertifizierung
    Abschließend erhält die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer ein Zertifikat, dass entweder die volle Gleichwertigkeit der Berufskompetenzen mit denen des Referenzberufs bestätigt oder im Detail aufführt, für welche Tätigkeitsbereiche des Referenzberufs eine teilweise Gleichwertigkeit zu welchem Grade festgestellt werden konnte (sog. „Teilanerkennung“), vgl. Zertifikatsmuster.

Nutzen für Personalentwickler und Teilnehmende

Der Fachkräftebedarf wird auf absehbare Zeit nicht sinken. Darum lohnt es sich, die „schlummernden Potenziale“ zuerst bei den vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erfassen – auch bei denen ohne Berufsabschluss. Das Zertifikat verschafft Personalverantwortlichen dabei Sicherheit: Diese Mitarbeiterin bzw. dieser Mitarbeiter kann mehr Verantwortung und anspruchsvollere Aufgaben übernehmen. Um sie bzw. ihn weiter zu entwickeln und noch besser für das Unternehmen einzusetzen, können auf dieser Basis ggf. gezielte Qualifizierungsmaßnahmen initiiert werden.

Nicht zuletzt bedeutet das Zertifikat auch eine besondere Wertschätzung und stärkt somit die Mitarbeiterbindung: Menschen mit Potenzial sollen im Unternehmen bleiben und motiviert werden, sich weiterzuentwickeln. 

Aus Sicht der Teilnehmenden ermöglicht die Zertifizierung eine persönliche Bestätigung ihrer informell und non-formal erworbenen beruflichen Erfahrungen und Kompetenzen – ohne eine „Zurücksetzung“ in den Status eines Auszubildenden und ohne Prüfungsängste durchleben zu müssen.

Die Praxis zeigt, dass das Zertifizierungsverfahren viele Teilnehmende dann auch dazu motiviert, sich der Herausforderung „Abschlussprüfung als Externe“, quasi nach erfolgreicher Generalprobe, zu stellen oder eine bestimmte noch fehlende Zusatzqualifikation anzugehen, um einen Aufgabenbereich „vollwertig“ ausfüllen und beruflich besser dastehen zu können.

Davon abgesehen: Jede qualitätsgesicherte Kompetenzfeststellung – und so auch die des ValiKom-Zertifikats – verbessert die Erfolgschancen auf dem Arbeitsmarkt. Das betrifft nicht nur das Feld der „Ungelernten“ oder „Hilfskräfte“, sondern ebenso Menschen, die beispielsweise nach einer Phase der Selbstständigkeit wieder in ein Angestelltenverhältnis wechseln wollen. Auch diese Bewerber können begleitet vom potenziellen Arbeitgeber über das Projekt einen gesicherten Kompetenznachweis erreichen, der beiden Seiten dient. Ähnlich verhält es sich mit Personen, die ihr Studium ohne Abschluss beendet haben und on the job Berufserfahrungen und -kompetenzen in einem der nachfolgend aufgeführten IHK-Berufe bzw. weiteren Handwerksberufen erworben haben. Auch ihnen bietet das Zertifikat einen wichtigen Nachweis ihres Könnens.

19 IHK-Referenzberufe

Für folgende duale Berufsabschlüsse können im Zuständigkeitsbereich der IHKs berufliche Kompetenzen zertifiziert werden:

  • Verkäufer/in und Kaufmann/frau im Einzelhandel
  • Fachlagerist/in und Fachkraft Lagerlogistik
  • Mediengestalter/in Digital und Print (FR Konzeption und Visualisierung)
  • Kaufmann/frau für Büromanagement
  • Fachkraft im Gastgewerbe
  • Restaurantfachmann/-frau
  • Fachmann/-frau für Systemgastronomie
  • Koch/Köchin
  • Hotelfachmann/-frau und Hotelkaufmann/-frau
  • Fachinformatiker/in (Fachrichtung Systemintegration)
  • IT-Systemelektroniker/in
  • Industrieelektriker/in
  • Fachkraft Metalltechnik
  • Maschinen- und Anlagenführer/in
  • Technische/r Produktdesigner/in (FR Produktgestaltung und -konstruktion)
  • Verfahrensmechaniker/in für Beschichtungstechnik

Wer kann sein Können zertifizieren lassen?

Das Projekt steht allen Menschen über 25 Jahren mit einschlägiger Berufserfahrung offen:

  • ohne Berufsabschluss oder mit fachfremdem Berufsabschluss
  • mit beruflichem Kompetenzerwerb im In- und/oder Ausland unabhängig vom Beschäftigungsstatus
  • mit Sprachkenntnissen, die ein Validierungsverfahren in Deutsch ermöglichen

Der Förderzeitraum des Projekts gilt noch bis Oktober 2021, gegen Mitte des Jahres entscheiden die Projektmitglieder über die Fortsetzung.

 

Ansprechpartner in der Region Bayern 

Für den Regierungsbezirk Oberfranken (bei der IHK Dresden):

Dr. Thomas Hesse | Tel.: 0351/2802-650 | E-Mail: Hesse.Thomas@dresden.ihk.de

 

Für den Regierungsbezirk Unterfranken (bei der IHK Rhein-Neckar):

Martje Hoekmeijer | Tel.: 0621/1709-840 | E-Mail: martje.hoekmeijer@rhein-neckar.ihk24.de

 

Für die Landkreise Donau-Ries, Dillingen a. d. Donau, Neu-Ulm und Günzburg (bei der IHK Region Stuttgart):

Ulrike Kälber | Tel: 0711/2005-1912 I E-Mail: ulrike.kaelber@stuttgart.ihk.de sowie

Dr. Claudia Achtenhagen | E-Mail: claudia.achtenhagen@stuttgart.ihk.de

 

Für die Landkreise Unterallgäu, Ostallgäu, Oberallgäu und Lindau sowie die kreisfreien Städte Memmingen, Kaufbeuren und Kempten (bei der IHK Südlicher Oberrhein):

Patrick Bareiter | Tel.: 0761/3858-167 | E-Mail: patrick.bareiter@freiburg.ihk.de

 

Für die Landkreise Augsburg, Friedberg-Aichach, die Stadt Augsburg sowie die Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern, Mittelfranken und Oberpfalz (bei der IHK für München und Oberbayern):

Veronika Horneber I 089 1556 2054 I horneber@muenchen.ihk.de