Resilienz für Ausbilderinnen und Ausbilder
Wahrscheinlich kennen Sie solche Tage …
Eine Auszubildene oder ein Auszubildender macht Probleme, mal wieder. Sie oder er kam erneut zu spät, trat Kollegen gegenüber unangemessen auf und hat den Ausbildungsbericht wieder nicht abgegeben. Da steht heute wohl ein klärendes Gespräch an. Gleichzeitig ist eine andere Auszubildende bzw. ein anderer Auszubildender schon fertig mit der aktuellen Projektarbeit und „dürstet“ nach neuem Input. Eigentlich haben Sie dafür heute gar keine Zeit …
Der Stresspegel kann aber noch mehr steigen: Ein Cyber-Angriff hat heute die IT lahmgelegt, es geht gerade nichts mehr. Zudem beschwerte sich gleich in der Früh ein in der Ausbildung engagierter Mitarbeiter: Der Chef habe kritisiert, dass er sein Arbeitspensum nicht schaffe. Es seien eben schwere Zeiten, da müsse sich die Ausbildung eben mal hinten anstellen … Solche Konflikte sind ärgerlich, aber im Grunde (leider) für nicht wenige Ausbilderinnen und Ausbilder nichts Neues.
Drehen wir die Belastungsschraube nun noch etwas weiter: Vielleicht rückt zudem noch eine wichtige Präsentation bei der Geschäftsführung immer näher. Die müsste jetzt aber mal wirklich dringend vorbereitet werden. Oder ein kränkelndes Kind zu Hause, für das eine Betreuung aus dem Hut gezaubert werden muss …
An solchen Tagen kriecht dann das Gefühl nach oben, nur noch fremdbestimmt, von äußeren Zwängen getrieben zu handeln, kurz: Die vielen Einzelbelastungen treiben das Stresslevel immer weiter nach oben und greifen einen persönlich an. Mit diesem Gefühl dann den Auszubildenden gegenübertreten zu sollen, ist schon der nächste Trigger! Gerade in der Ausbildung möchte man doch Vorbild sein, stets souverän, stets gelassen, stets kompetent …
Das Gegenmittel: Resilienz
Was ist Resilienz eigentlich genau? Und was bietet ein Resilienztraining? In der Psychologie versteht man unter Resilienz, die psychische Widerstandskraft, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen. Es geht beim Thema Resilienz also nicht darum, Stress zu vermeiden, sondern darum, seine Persönlichkeit so weiterzuentwickeln, dass man aus stressigen Phasen unbeschadet wieder herauskommt. Beim Thema Stressbewältigung unterscheiden die Fachleute deshalb zwei Bereiche: „Resilienz“ und „Stressmanagement“.
Resilienztraining | Stressmanagement-Training |
Teilnehmende erlernen Verhaltensweisen, die sie individuell resistenter gegen negativen Stress machen. Sie arbeiten an ihren persönlichen inneren Einstellungen, an ihrer Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit, um sich dynamischer auf widrige Ereignisse einstellen zu können. | Teilnehmende erlernen Methoden, um negativen Stress zu reduzieren bzw. sich vor ihm besser schützen zu können, z. B. indem sie sich passgenaue eigene Ziele setzen, den Alltag besser strukturieren oder ihre Kommunikation verbessern. |
Viele Menschen haben zwar von ihrem Elternaus ein gutes Resilienzvermögen mit auf den Weg bekommen. Im Laufe der Jahre erlernen wir aber auch Verhaltensmuster, die uns in Stresssituationen im Wege stehen können. Wer also die Chance erhält, in Sachen „Umgang mit Stress“ besser zu werden, sollte diese wahrnehmen. Denn wer dem Stress auf einmal nicht mehr standhalten kann, schadet anderen und früher oder später sich selbst.
Was wird trainiert?
Ein Resilienztraining nimmt vor allem die eigenen Verhaltensweisen und persönlichen Einstellungen ins Visier. Wann und wie genau verwandelt sich zum Beispiel ganz speziell bei mir die eigene gute Laune in Verdruss? An welchem Punkt schlägt die eigene Tatkraft und Gewissheit „das kriege ich hin“ in Pessimismus und Resignation um: „Wie soll ich denn jetzt auch das noch schaffen?“
Im Resilienztraining geht es deshalb auch darum, die individuellen Belastungsgrenzen genauer zu (er-)kennen und sich selbst passende Grenzen setzen zu können. Wohlgemerkt: In den seltensten Fällen handelt es sich dabei um das objektive Arbeitspensum. Viel eher gilt es zu trainieren, sich selbst und anderen rechtzeitig klar zu machen: „Ich bekomme das hin, aber nicht jetzt sofort. Und das ist nicht nur in Ordnung so, es wird auch zum besseren Ergebnis führen.“
Für viele überraschend: Auszubildende, Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte können mit einer klaren Botschaft „Ich kümmere mich so bald wie möglich auf eine vernünftige/gründliche/angemessene Art und Weise um die Angelegenheit“ besser umgehen als mit einem „okay, dann müssen wir vielleicht mal schauen, wie wir das irgendwie machen könnten, aber gerade ist alles sehr schwierig …“
Resilienz am Beispiel eines Baumes (zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Schritt für Schritt lässt sich durch ein Resilienztraining die eigene Lösungsorientierung und Selbstwirksamkeit verbessern. Dazu zählt beispielsweise auch, auf neue oder außergewöhnliche Herausforderungen mit Optimismus zuzugehen. Anstatt als erstes die potenziellen Probleme zu fokussieren oder sich an Konstellationen abzuarbeiten, auf die man selbst keinen Einfluss hat, gewinnt die Aussicht auf Erfolg im Kopf die Oberhand. Vielleicht muss man auch gar nicht alle Hürden alleine aus dem Weg räumen, sondern kann auf die Expertise und Hilfe von anderen vertrauen – eine der wichtigsten Voraussetzungen für echtes und dadurch auch erfolgreiches Teamwork.
Resilienztraining ist somit immer auch ein Training an den grundsätzlich durchaus gesunden Selbstzweifeln sowie an unbewussten negativen Verhaltensweisen und blockierenden Reaktionsmustern, durch die sich Menschen selbst in vermeintlich aussichtslose Positionen bringen. Wer Resilienz trainiert, erlernt somit viel mehr als ein paar Atemübungen zum Runterkommen in Stressphasen. Man erfährt zuallererst über sich selbst etwas und deshalb greift ein gutes Resilienztraining auch deutlich tiefer als ein Training zum Stressmanagement. Aus dem gleichen Grund ist die Stärkung und das Training der persönlichen Resilienz oft auch der wirkungsvollere und vor allem nachhaltigere Weg zu mehr innerer Stabilität und letztlich Arbeits- ja sogar Lebensfreude.
Die Empfehlung lautet somit: Spätestens, wenn Sie merken, dass Sie die gewöhnlichen und außergewöhnlichen Belastungen Ihrer Arbeit immer schneller und/oder immer öfter innerlich angreifen und drohen, Sie ins Wanken zu bringen, sollten Sie handeln und sich zum Beispiel ein Resilienztraining gönnen. Gerade als Ausbilderin bzw. Ausbilder profitieren davon nicht nur Sie persönlich, sondern ebenso Ihre Auszubildenden, die Qualität der Ausbildung und, zu Ende gedacht, das Unternehmen.