Nachhaltigkeit wird für Unternehmen immer wichtiger

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Wieso kein Betrieb mehr um das Thema Nachhaltigkeit herumkommt, weiß der Ingolstädter Unternehmer Reinhard Büchl. Er engagiert sich seit Jahrzehnten für nachhaltige Entwicklung, auch in seinem eigenen Recyclingunternehmen. 2017 gründete er das Institut für angewandte Nachhaltigkeit (INAS), das auch An-Institut der Technischen Hochschule Ingolstadt und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt ist.

Im Interview erklärt er, weshalb Unternehmen profitieren, wenn sie ihre Mitarbeiter für Nachhaltigkeitsthemen sensibilisieren – und dass das auch ohne teure Investitionen geht.

Herr Büchl, Sie engagieren sich schon seit Jahrzehnten für Nachhaltigkeit. Wie kam es dazu?

Büchl: 1972 habe ich eine Entsorgungsfirma von meinem Vater übernommen. Damals war der Stand der Technik, dass der meiste Abfall vergraben oder verbrannt wurde. Für mich war sehr schnell klar, dass das keine Zukunft haben kann. Seitdem setze ich mich unternehmerisch, verbandspolitisch und wissenschaftlich für Nachhaltigkeit ein – zunächst nur im Abfallbereich, heute im gesamten Nachhaltigkeitsspektrum.

Viele denken bei Nachhaltigkeit vor allem an Umweltschutz. Was gehört noch dazu?

Nachhaltigkeit wird klassisch mit drei Feldern beschrieben: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Der Begriff bedeutet, so zu leben, dass wir auch den Generationen nach uns noch eine Chance geben, den Globus zu bewohnen. In dem Bereich verändert sich zur Zeit sehr viel, was auch für Unternehmen und deren Mitarbeiter wichtig ist. Nur zu produzieren, um Geld zu verdienen oder Shareholder mit Dividenden zu befriedigen, reicht künftig nicht aus, wenn dabei Schäden produziert werden, die die Menschheit Generationen später wieder einholen oder wenn zeitgleich Menschen und Umwelt lokal oder global leiden.

Warum ist es so wichtig, dass Unternehmen das Thema angehen?

Das Verbraucherverhalten verändert sich massiv. Vor allem junge Leute fragen immer öfter z. B.: Wo kommt das her, was ich esse und anziehe und wie wird es produziert? Das führt dazu, dass Unternehmen ihr Angebot überdenken müssen. In der Automobilindustrie zum Beispiel gibt es bereits einen Kriterienkatalog für Nachhaltigkeit, der an die großen Zulieferer weitergegeben wird, die ihn wieder an ihre Zulieferer weitergeben müssen. Diejenigen, die einem gewissen Mindestanspruch nicht gerecht werden, fallen irgendwann durch ein Raster. Allein schon aus dem Grund heraus würde ich jedem Mittelständler
empfehlen, das Thema Nachhaltigkeit sehr ernst zu nehmen. Neben Preis und Leistung spielen zunehmend auch Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle bei der Auftragsvergabe.

Was sagen Sie einem Geschäftsführer, für den der Gewinn an erster Stelle steht?

Es gibt sicher Branchen, die schneller und intensiver betroffen sind. Andere haben ein bisschen mehr Zeit. Aber insgesamt gesehen kommt keiner an dem Thema
vorbei. Wer sagt, er hätte keine Zeit dafür, wird von der Realität eingeholt. Man darf die Unternehmen in Deutschland allerdings auch nicht unterschätzen. Viele werden schon jetzt hohen Nachhaltigkeitsansprüchen gerecht, ohne den Begriff zu verwenden. Ich bin mir sicher, dass wir den Schalter in Richtung nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion umlegen können. Wenn wir das nicht schaffen, fahren wir mit Vollgas gegen die Wand. Ich erwarte, dass die Gesellschaft mit zunehmender Intensität nachhaltige Produkte und nachhaltige Produktion einfordert.

Welche Rolle spielt dabei die Aus- und Weiterbildung?

Man kann nicht einfach sagen „Ab morgen verhalten wir uns nachhaltig“, sondern man muss sich damit auseinandersetzen, was das heißt: für die Produkte, die man herstellt, für die Produktion, für die Personalpolitik, für den Umweltschutz usw. Da ist viel neues Wissen erforderlich. Deshalb müssen die Mitarbeiter, die heute schon im Unternehmen sind, nachqualifiziert werden. In der beruflichen Bildung sind gewisse Grundregeln zur Nachhaltigkeit schon jetzt ein fester Bestandteil.

Gilt das für alle Branchen und Unternehmensgrößen?

Ja, ohne Zweifel. Die großen Unternehmen haben für das Thema schon ihre Spezialisten. Je weiter es in der Zuliefererkette runtergeht, desto länger wird das dauern.

Wie haben Sie Bildung für nachhaltige Entwicklung in Ihrem Unternehmen umgesetzt?

Wenn ich bestimmte Qualitätskriterien in Sachen Nachhaltigkeit erfüllen möchte, komme ich nicht darum herum, meine Mitarbeiter entsprechend auszubilden. Diese Art von Ausbildung bekommt man in großen Unternehmen vielleicht in dicken Broschüren vermittelt, in kleinen Unternehmen aber im direkten Kontakt. In einem Familienunternehmen sollte der Unternehmer die Firmenphilosophie vorleben. Viele meiner Mitarbeiter fahren morgens raus und kommen abends zurück. Und draußen vertritt der Mitarbeiter das Unternehmen entweder so, wie ich das möchte oder so, wie er das möchte. Wenn das nicht zusammenpasst, gibt es ein Problem.

Wie weckt ein Unternehmer bei seinen Mitarbeitern ein Bewusstsein für das Thema?

Da gibt es kein Kochrezept – weil kein Unternehmen ist wie das andere. Aber wenn ich meinen Mitarbeitern nicht erkläre, welche Ziele ich habe, werde ich scheitern. Ein ernstzunehmendes Problem in kleinen Unternehmen ist, dass der Unternehmer mit dem Tagesgeschäft in der Regel 150 Prozent ausgelastet ist. Wenn dort das Thema Nachhaltigkeit obendrauf kommt, ist das eine Zusatzbelastung. Deswegen werden wir darüber nachdenken müssen, inwieweit Kammern branchenspezifische Leitfäden und Checklisten entwickeln können, mit denen ein Unternehmer mit minimalem Aufwand prüfen kann, wo er steht.

Kann man Bildung für nachhaltige Entwicklung denn nur mit hohem Aufwand umsetzen?

Es ist nicht erforderlich, zehn- oder hunderttausende Euro in die Hand zu nehmen oder riesige Beratungsaufträge zu vergeben. Was man braucht, sind Informationen. Ich glaube, dass jeder Unternehmer sehr schnell erkennt, wo bei ihm die Musik spielt. Und das ist bei dem einem vielleicht ein ökologisches Thema, bei einem anderen ein soziales. Jedes einzelne Unternehmen, das sich in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt, leistet einen gesellschaftlichen Beitrag.

Gilt dabei: Je mehr Infos die Mitarbeiter bekommen, desto besser?

Ja. Je mehr die Mitarbeiter mitgenommen werden und wissen, warum bestimmte Dinge gemacht werden, umso besser werden sie sich damit identifizieren und entsprechend verhalten.

Wirkt sich das auch auf den Unternehmenserfolg aus?

Da bin ich mir sicher. Das Problem ist, dass sich das nicht von heute auf morgen rechnen lässt, nach dem Motto: Ich stelle etwas in meinem Unternehmen um,
um nachhaltiger zu sein, und dann hat sich das in drei Jahren bezahlt gemacht.

Die Vereinten Nationen haben 17 Nachhaltigkeitsziele formuliert. Lassen die sich auf den Unternehmensalltag übertragen?

Die sogenannten Sustainable Development Goals sind für mich eine gute Grundlage, um das Thema Nachhaltigkeit abzuarbeiten. Natürlich treffen nicht alle auf
jedes Unternehmen zu. Aber nachdem die unternehmensrelevanten Ziele identifiziert sind, bilden sie den Leitfaden, um den aktuellen Nachhaltigkeitsstatus zu prüfen und notwendige Handlungsfelder festzulegen. Je mehr Nachhaltigkeitskompetenz bei den Mitarbeitern vorhanden ist, desto besser sind die Umsetzungschancen.

Herr Professor Büchl, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Zur Person:

Professor Reinhard Büchl
Inas GmbH
Institut für angewandte Nachhaltigkeit
Gumppenbergstraße 7
85057 Ingolstadt
www.inas-institut.de