Mehr Vielfalt – mehr Zukunft

PraxisArtikel

Die Zeichen stehen auf „Start“

Der demografische Wandel ist in vollem Gange und stellt die Personalabteilungen vor immer größere Herausforderungen. Zudem werden die Geschäftsprozesse immer internationaler, die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten erstreckt sich heute oft über Landes- und Kulturgrenzen hinweg. Schon aus diesen Gründen gehen Personalentscheiderinnen und Personalentscheider beim Recruiting und der Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer häufiger neue Wege. Statt eines eng definierten Anforderungsprofils nehmen sie bewusst alle Personengruppen in den Blick: Ältere, Frauen in unterschiedlichsten Lebensphasen, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Handicap ... Doch um ihre Potenziale optimal nutzen zu können, bedarf es mehr als lediglich einiger Anpassungen, beispielsweise des Arbeitsplatzes oder des Arbeitszeitmodells. Diversity-Management verlangt vielfach zunächst spürbare Veränderungen in der Unternehmenskultur: Alle Beschäftigten brauchen ein gemeinsames Verständnis vom positiven Wert verschiedener sozialer und kultureller Hintergründe, Erfahrungen und Lebenskonzepte. Diese anspruchsvolle und komplexe Aufgabe liegt traditionell im Zuständigkeitsbereich der Personalentwicklung gemeinsam mit der Geschäftsführung. Sie gelingt, wenn alle Führungskräfte mitziehen.

Beispiel: Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Es ist kein Geheimnis, dass sich die meisten Frauen heute immer noch gegen eine Führungsposition entscheiden, wenn sie keine Möglichkeit sehen, die neue Aufgabe mit ihrer Verantwortung für die Familie zu verbinden. Doch wo die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingt und die spezifischen Anforderungen von Frauen an ihr Jobprofil erfüllt werden, steigen durch die stärkere Beteiligung von Frauen an Unternehmensentscheidungen die Erfolgschancen, das belegen unter anderem Studien der Universität Tübingen (1), des ifw Kiel (vgl. Grafik) sowie des Massachusetts Institute of Technology (MIT): Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte gelingt es besser, ihre Risiken zu senken und nachhaltige Erfolge zu erzielen. „Nur in gemischten Teams können eher männliche Eigenschaften (Durchsetzungsstärke) und weibliche (Teamfähigkeit, Kommunikationsgeschick) gewinnbringend verbunden werden.“ (2)

Wer den Frauenanteil im Unternehmen dauerhaft erhöhen möchte, und zwar auf allen Ebenen, muss zuerst flexiblere Arbeitszeiten und -orte ermöglichen sowie neue Formen der Zusammenarbeit fördern.

Beispiel: Altersmischung

Durch die Digitalisierung sind viele Unternehmen einem enormen Wandel unterworfen: ständig weiterentwickelte IT-Systeme, veränderte Arbeitsabläufe, flexiblere Prozesse … Um diesen Wandel und die mit ihm einhergehenden Innovations- und Synergiepotenziale im innerbetrieblichen Prozess optimal gestalten zu können, gehört das Thema „Generationenvielfalt“ auf die Agenda. Junge Beschäftigte bringen ihr digitales Know-how, ihre Offenheit und ihre Ideenkraft ein, ältere Beschäftigte verfügen über großes Erfahrungswissen und hohe Praxiskompetenz. Doch es genügt nicht, Jung und Alt einfach in ein Team zu stecken. Denn „viele Führungskräfte ab 50 haben noch ein sehr deutsches Mitarbeiterbild. Alles soll wohlgeordnet und berechenbar sein. Die Jüngeren kennen das anders, sie sind mit der Globalisierung aufgewachsen.“ (3) Beide Seiten brauchen daher ein Verständnis füreinander sowie Lernfähigkeit und Lernwilligkeit. Erst durch eine gemeinsame, an Vielfalt und Diversität orientierte Team- oder besser noch Unternehmenskultur entsteht der beabsichtigte Mehrwert altersgemischter Arbeitsprozesse.

Wo ansetzen? Idealerweise Top-down!

Erfolgreiches Diversity-Management beginnt von oben. Dies ist das Ergebnis einer Studie zum 10-jährigen Bestehen der Charta der Vielfalt (3), die 2006 unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Leben gerufen wurde. Viele deutsche Unternehmen unterzeichneten diese Charta und berichten in der Studie über ihre Erfahrungen. Die Mehrzahl ist überzeugt, dass Diversity-Management im Unternehmen nur top-down erfolgreich vorangetrieben werden kann. Als wichtigste Maßnahmen zum Abbau von Widerständen sehen die befragten Firmen zudem

  • Trainings für Führungskräfte sowie
  • die Etablierung beispielhafter Leuchtturmprojekte, die anderen Abteilungen als „Best- Practices-Vorbilder“ dienen können.

Die ersten Maßnahmen, die die meisten Unternehmen erfolgreich umsetzen konnten, waren in der Personalentwicklung und bei der Bewerberauswahl angesiedelt. Ein weiteres Ziel war die Arbeitszeitflexibilisierung. Anhand der Erfahrungen konnten die Widerstände gegen das Diversity-Management in der Praxis genauer analysiert werden. So zeigte sich, dass Diversity bereichs- und funktionsübergreifend gedacht werden muss, um effektiv zu sein. Es sollte idealerweise bei jeder Entscheidung relevant sein, ob in der Produktentwicklung, der Zielgruppenansprache oder der Kundenbetreuung: Die Welt ist divers – wenn Unternehmen sich ganzheitlich darauf einstellen, können sie nachhaltige Erfolge erzielen.

Wie wird Diversity erfolgreich?

Natürlich bringt Diversity allein noch kein Team voran. Um im Unternehmen von gemischten Teams profitieren zu können, müssen die unterschiedlichen Menschen ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Kultur entwickeln. Ohne Gemeinsamkeiten, Motivation und Leistung wird sich kein Erfolg einstellen. Wenn alle Beschäftigten das neue Miteinander als Bereicherung ihrer persönlichen Arbeitswelt wahrnehmen können und sich in der Folge gegenseitig mit Respekt und Offenheit begegnen, trägt Diversität spürbar zur Steigerung der Leistungsbereitschaft in der Belegschaft und zur Sicherung des Unternehmenserfolges bei. Die befragten Unternehmen sehen die konkreten Vorteile des Diversity-Managements vor allem darin,

  • die Innovationskraft und Kreativität zu fördern (77 %),
  • Personalressourcen besser nutzen zu können (76 %) und
  • die Offenheit und Lernfähigkeit der Organisation sicherzustellen (75 %).

Nicht zuletzt zählen realistische Erwartungen. Diversität im Unternehmen ist kein Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Der Erfolg stellt sich nicht ad hoc ein, sondern wächst und entfaltet sich im ganzen Unternehmen.


Download (PDF)

Mit Vielfalt Fachkräfte finden und binden – ein Leitfaden für Diversity Management in  bayerischen Unternehmen.


Weiterführende Infos u. a. auch unter:
Familienpakt Bayern, Tipps und Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie 

Quellen
(1)  Wirtschaftswissenschaftler Jan Riepe und Philip Yang, Studie zu den betriebswirtschaftlichen Effekten von Frauen in Führungspositionen, Universität Tübingen, 2019

(2)  Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (StMAS): Frauen in Führungspositionen, 2010

(3)  Ernst&Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; Diversity in Deutschland, Studie anlässlich des 10-jährigen Bestens der Charta der Vielfalt, 2016; in Zusammenarbeit mit Charta der Vielfalt e. V., Aletta Gräfin von Hardenberg und Kerstin Tote