Im Anflug: Ausbildung der Generation Alpha

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Die Ausbildung als eines der wichtigsten Instrumente der Wirtschaft zur Sicherung von Fachkräften steht vor steigenden Herausforderungen. Viele Schülerinnen und Schüler entscheiden sich auch weiterhin lieber für ein Studium als für eine Ausbildung. Und neben den Unternehmen umwerben auch Behörden oder Verwaltungen immer massiver die Jugendlichen von heute. Wer aktuell zwischen 16 und 24 Jahre alt ist, kennt seinen hohen Marktwert. Deshalb erwarten die heutigen Jugendlichen zum Beispiel eine gute Work-Life-Balance und einen top ausgestatteten Arbeitsplatz. Eine sinnhafte Aufgabe und Freude an der Arbeit sind Ihnen wichtiger als Karriere und zu alledem haben sie kein großes Problem, den Arbeitgeber zu wechseln. Das Politikmagazin „Der Spiegel“ hat die heutigen jungen Arbeitskräfte bereits als die „illoyalsten Jobber aller Zeiten“ bezeichnet. Wie wird es danach weitergehen? Wie tickt die nächste Generation, die heute noch in den Kindergarten geht oder die ersten Schuljahre absolviert? Auf was müssen sich die Betriebe einstellen?

Woher kommen die Bezeichnungen?

Der australische Soziologe Mark McCrindle hatte 2005 die neue Generationen-Zählung geschaffen und nach „Z“ wieder mit „A“ begonnen. Zur klaren Unterscheidung startet der neue Durchlauf jetzt mit griechischen Buchstaben. Aktuell starten die Jugendlichen der Generation Z in den Beruf. Zu ihr zählen alle zwischen 1995 und 2010 Geborenen. Die nächste Generation – Alpha – umfasst somit die Jahrgänge von 2010 bis etwa 2025. In zwei bis drei Jahren befinden sich die ersten auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Die Lebenswelt der Generation Alpha

Ein Großteil dieser Generation hat schon als (Klein-)Kind die erste tief einschneidende Krise persönlich erleben müssen: die Corona-Pandemie mit all ihren Auswirkungen auf die Familien, die Bildungseinrichtungen und das soziale Miteinander in der Öffentlichkeit. Doch das ist nicht alles, was die Lebenswelt dieser Generation von den vorherigen Generationen unterscheidet.

  • Diese Generation erlebt die Digitalisierung, insbesondere die durch KI beschleunigte Veränderung der Lebens- und Arbeitswelt von Geburt an.
  • Für diese Generation sind die Auswirkungen des Klimawandels mit den Hitzewellen, der Wasserknappheit oder den Waldbränden erstmals „Normalität“.
  • Diese Generation erlebt stärker als jede andere zuvor die Vereinzelung und Polarisierung in der Gesellschaft, zum Beispiel durch die Folgen der Pandemie oder der Digitalisierung.
     

Verkürzt könnte man sagen: Tiefgreifende Veränderungsprozesse sind für die Kinder der Generation Alpha Normalität. Man kann sich also schon heute vorstellen, dass bei dieser heranwachsenden Generation kaum noch Versprechen wie „… und wenn du das alles gelernt hast, dann kannst du später einmal …“ greifen werden.

Die Lernbereitschaft der Generation Alpha

In dieser Generation macht das Lernen, wie es bisher erfolgte, bereits für Grundschulkinder keinen großen Sinn mehr. Sie haben keine Scheu, Hausaufgaben von digitalen Helfern erledigen zu lassen: „Alexa (oder Siri oder …), was ist 6 mal 7?“ Und auch in den weiterführenden Schulen wird es für Lehrkräfte zunehmend schwieriger, die Schülerinnen und Schüler beispielsweise zu motivieren, Vokabeln zu pauken. Denn KI-Programme wie ChatGPT schreiben perfekte Aufsätze ganz nach Belieben in Deutsch, Englisch oder Spanisch – in zwei Sekunden und zu jedem beliebigen Thema! Das Gleiche gilt für das Lösen von Aufgaben in den Naturwissenschaften und anderen Fächern.

Reine Wissensaneignung und -vermittlung im herkömmlichen Sinne wird damit obsolet werden. Doch wie können Eltern, Lehrkräfte und Ausbildende diese jungen Menschen dann sinnvoll fördern? Und für welches Know-how braucht man zukünftig noch Menschen? Welche Stärken sind für diese Generation überhaupt nützlich?

Ihr größtes Gut wird voraussichtlich ihre Kreativität, ihr Einfühlungsvermögen, ihr konzeptionelles Denken und ihre soziale Kompetenz sein. Wer zudem aktiv in Sachen IT- und Digitalkompetenzen gefördert wurde, wird sich in der zukünftigen Arbeitswelt sicher leichter tun. Denn es ist heute schon absehbar, dass in der Berufswelt von morgen KI-Systeme und Roboter die meisten Standard-Aufgaben übernehmen werden. Der Mensch wird vor allem aufgrund seines Ideenreichtums und der Fähigkeit zum gezieltem Quer- und Neudenken gefragt sein. Schon diese wenigen Stichwörter deuten auf erhebliche Veränderungen der Arbeitsumfelder hin: Die Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle werden zukünftig noch flexibler, Arbeitsplätze sollen vor allem kreatives Arbeiten im Team fördern.

Erste Studie zur Generation Alpha

Doch genau bei den für diese Skills grundlegenden Kompetenzen hat die Generation Alpha, Stand heute, große Defizite. Das Institut für Generationenforschung hat 1.231 Erzieherinnen und Erzieher über ihre Wahrnehmung und Einschätzung der durch sie zu betreuenden Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren zu nicht altersentsprechenden Auffälligkeiten befragt. Dabei zeigten 40 Prozent der Kinder Auffälligkeiten im sprachlichen Bereich, 19 Prozent im motorischen und 30 Prozent im sozialen Bereich. Das korrespondiert mit der Entwicklung, dass immer mehr Kinder und Jugendliche an Angststörungen und Depressionen leiden. So betonte auch der Leiter der Studie, Rüdiger Maas, bei der Vorstellung der Ergebnisse: „In Deutschland gab es noch nie so viele unglückliche Kinder“.  

Auffälligkeiten im sprachlichen Bereich

 

Auffälligkeiten im motorischen Bereich

 

Auffälligkeiten im Spielverhalten

Ob diese Auffälligkeiten vor allem der Corona-Pandemie geschuldet sind und im Übergang zur Pubertät und ins Erwachsenenalter noch weitere Auswirkungen zeigen werden, bleibt abzuwarten. Genauso unklar ist, wie sich die auffällig intensive Smartphone-Nutzung der noch sehr jungen Kinder auswirken wird. Die Nutzung digitaler Tools macht dieser Generation jedenfalls keine Angst. Anhand der vielen persönlichen und globalen Herausforderungen, die diese Generation voraussichtlich zu meistern hat, ist aber eines heute schon klar: Diese Generation benötigt sicher viel mehr emotionalen und mentalen Zuspruch als jede Generation vor ihr. Die Rolle der Ausbildenden wird dann vielleicht noch stärker der von Mentoren und Coaches gleichkommen, die die jungen Menschen vor allem emotional stärken: „Trau dich, bleib kreativ, bleib flexibel – du machst das, du schaffst das, ich vertraue dir!“  

Nachtrag

Im Internet finden sich Artikel, die prognostizieren, welche Werte und Einstellungen die Generation Alpha prägen werden, wie sie arbeiten und welche Produkte sie bevorzugen wird … Aber mal ehrlich: Welche politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen und welche technischen Innovationen  die nächsten fünf bis zehn Jahre für die Generation Alpha bereithalten, kann aktuell niemand ernsthaft voraussagen.

Unternehmen sollten deshalb vor allem den Kontakt zu jungen Menschen suchen, offen auf sie zugehen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Nur so lässt sich mitvollziehen, wie sich die Mentalitäten verändern und auch weiterhin Begeisterung für die Arbeitswelt geschaffen werden kann.