High Potentials binden – Karrierewege konkret aufzeigen

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Wie halten Sie als Ausbilder oder Personaler leistungsbereite Fachkräfte nach ihrer Ausbildung im Unternehmen? Indem Sie ihnen in Entwicklungsgesprächen attraktive Perspektiven bieten. Wir haben für Sie einige Argumente zusammengestellt, die belegen, dass Fachkräfte mit ihrer Ausbildung und anschließender beruflicher Weiterbildung ebenso viel erreichen können wie akademisch qualifizierte Gleichaltrige. Darüber hinaus erhalten Sie wertvolle Tipps dazu,

  • worauf es in den Entwicklungsgesprächen ankommt und
  • warum sich die Arbeit, einen übergreifenden Entwicklungs- bzw. Karriereplan aufzustellen, in jedem Falle lohnt.

Mitarbeiterbindung heißt Verlässlichkeit schaffen

Diese Situation kennen viele Personalverantwortliche: Gerade die oder der Auszubildende, die bzw. der sich während der Ausbildung richtig klasse entwickelt hat, druckst einige Monate nach der Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis herum. Irgendetwas passt nicht mehr.

Manche dieser Nachwuchskräfte wollen dann doch noch studieren. Andere meinen, in einem anderen Unternehmen gebe es bestimmt einen besser bezahlten Job und/oder spannendere Aufgaben. Und wieder andere haben mit ihrer Ausbildung in der Tasche einfach Lust bekommen, noch einmal Neues zu entdecken, was genau wissen sie nicht so recht, aber wenn nicht jetzt, wann dann?

Gut, nicht jede und jeder lässt sich halten, aber mit einigen strategisch platzierten Maßnahmen können junge Talente doch erfolgreicher ans Unternehmen gebunden werden. Im Idealfalle beginnen sie schon beim Azubimarketing und setzen sich an geeigneten Meilensteinen während der Ausbildung fort. Der entscheidende Teil dieser Maßnahmen beginnt jedoch nach dem Abschluss.

Munition fürs Entwicklungsgespräch

Das sollte sich von selbst verstehen: Wer sich für eine Berufsausbildung entscheidet, sollte von seinen Ausbildern in seiner Entscheidung bestätigt werden und Wertschätzung erfahren. Je klarer sich während der Ausbildung abzeichnet, dass das Unternehmen an der Übernahme eines Auszubildenden interessiert ist, desto wichtiger wird es, rechtzeitig ein offenes Gespräch über die Zukunft und Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen zu initiieren.

Dabei können Ausbilder bzw. Personalverantwortliche einige Fakten ins Spiel bringen und aufzeigen, was diese für den individuellen Werdegang bedeuten.

Fakt 1: Fachkräfte haben einen Einkommensvorsprung – den sie weiter ausbauen können.

Berechnungen zeigen klar, dass Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung gegenüber Gleichaltrigen, die ein Studium absolvieren, einen Einkommensvorsprung erzielen, der während der ersten Berufsjahre signifikant wächst (vgl. Grafik)

 

Nutzen Sie dieses Argument im Entwicklungsgespräch mit leistungsmotivierten Fachkräften aktiv:

  • Die Fachkraft hat im Unternehmen (gute Aussichten auf) ein attraktives, branchenübliches (Einstiegs-)Gehalt mit der Option auf leistungsgerechte Gehaltssteigerungen und das bedeutet finanzielle Freiräume, die Gleichaltrige mit Studium in der Regel noch gar nicht erreicht haben.
    Aus finanzieller Sicht lohnt es sich also, den eingeschlagenen Weg der beruflichen Aus- und Weiterbildung im Unternehmen fortzusetzen.   

Fakt 2: Mit einem Abschluss der Höheren Berufsbildung setzt sich der Einkommensvorsprung bis ins 60-te Lebensjahr fort

Hier geht es weniger ums Geld als um die langfristige Perspektive. Das Unternehmen ist daran interessiert, dass die Fachkraft nicht nur im Unternehmen bleibt, sondern sich auch weiterbildet (Stichwort: lebenslanges Lernen). Das kann ein zusätzlicher Abschluss der Höheren Berufsbildung, beispielsweise zum Fachwirt oder Meister sein, entscheidend ist aber viel mehr, dass Weiterbildung und Karriere im Unternehmen für Leistungsträger gefördert werden.

Hinweis:  Weitere überzeugende Argumente, die für eine Karriere mit beruflicher Aus- und Weiterbildung im Unternehmen sprechen, lesen Sie ausführlich in diesem Artikel: Gute Argumente für die Ausbildung.

Die Erfolgsfaktoren eines Entwicklungsgesprächs mit dem Ziel der Mitarbeiterbindung sind somit:

  • Vermitteln Sie Anerkennung und Wertschätzung.
  • Thematisieren Sie offen, dass sich die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter durch Leistung und berufliche Weiterbildung im Unternehmen eigenverantwortlich auch gegen wirtschaftlich schwierige Zeiten absichern kann: Versprechen garantierten wirtschaftlichen Erfolgs und garantierter Beschäftigung sind heute nicht mehr glaubwürdig.
  • Verdeutlichen Sie der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter, dass es für sie bzw. ihn im Unternehmen schon jetzt langfristige Karriereperspektiven gibt, die flexibel auf die individuelle Lebensplanung angepasst werden können.

Gerade der letzte Punkt verlangt danach, konkret ausgeführt zu werden, um seine „bindende „Wirkung“ entfalten zu können.

Wie kann das also konkret aussehen?

Die Personalentwicklung zählt zu den anspruchsvollsten Aufgaben im Unternehmen. Zum einen bedarf es einer differenzierten Übersicht über die bei den einzelnen Mitarbeitern vorhandenen Kompetenzen. Zum anderen ist ein gut abgestimmtes Instrumentarium gefragt, um fehlende Qualifikationen schnell und effizient aufzubauen. Und nicht zuletzt müssen bei allen Personalentwicklungskonzepten und -maßnahmen die demografisch bedingten Veränderungen in der Belegschaftsstruktur und ganz besonders die Geschäftsentwicklung im Blick behalten werden.

Wenn es nun darum geht, Fachkräfte zu binden, benötigen Personalverantwortliche bzw. Personalentwickler somit ein Gesamtkonzept für die im Unternehmen möglichen Karrierewege in Verbindung mit den hierzu gehörenden weiteren Qualifizierungsschritten.

Entwickeln Sie also gemeinsam mit der Geschäftsführung einen Plan, welche Angebote Sie Ihren Leistungsträgern (im Grunde unabhängig von deren Alter und bereits erreichter Karrierestufe) machen können, und thematisieren Sie diese Karrierepfade offen im Entwicklungsgespräch:

  • Welches Zukunftspotenzial sieht das Unternehmen in der Fachkraft?
  • Welche (weiteren) Karrierewege sind entsprechend der bisherigen Entwicklung, der Leistungsbereitschaft und der individuellen Lebenssituation möglich?

Beispiel
Eine familiär ungebundene Fachkraft Anfang zwanzig hat andere Ziele und sollte daher andere Karriereoptionen haben als eine Fachkraft Anfang dreißig, bei der vielleicht das Thema Familiengründung ansteht. Und diese Zusammenhänge ändern sich nochmals, wenn sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab ca. Mitte 40 evtl. mit dem Thema „Pflege von älteren Angehörigen“ auseinandersetzen.

Mindestens ebenso wichtig ist die fachliche Konkretisierung der weiteren Karrierewege: Kommt für eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter aus Sicht der Personalentwicklung eher eine (noch weiter als bisher gehende) Spezialisierung in Betracht oder eine Fachkarriere in einem Unternehmensbereich? Ist die Entwicklung hin zu einer Führungskraft mit Personalverantwortung noch ein längerer Weg oder ein greifbar naher Schritt?

  • Welche Leistungen muss die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter dafür von sich aus einbringen bzw. welche weiteren Qualifikationen sind erforderlich?

Beispiel
Eine Weiterbildung zum Fachwirt oder Meister vermittelt den Teilnehmern Kompetenzen, um im bestehenden Aufgabenfeld mehr Verantwortung übernehmen zu können. Davon profitieren beide Seiten, das Unternehmen und die Fachkraft unmittelbar. Von der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter wird somit verlangt, eine solche Weiterbildung beispielsweise berufsbegleitend zu absolvieren, das Unternehmen fördert die Teilnahme aber auch aktiv beispielsweise in Form von flexibleren Arbeitszeiten, zusätzlichen Urlaubstagen vor den Prüfungen oder durch die Bereitstellung eines Laptops.
Darüber hinaus erhalten Absolventen der Höheren Berufsbildung das Handwerkszeug, um Führungsaufgaben beispielsweise in anspruchsvollen Projekten oder die Leitung von Teams zu übernehmen. Diese Kompetenzen können über einen im Unternehmen verbindlich geplanten Prozess des Job-Enrichments weiterentwickelt werden, bis die entsprechende neue Position zuverlässig mit der Kandidatin bzw. dem Kandidaten besetzt werden kann. So zahlen sich Kontinuität und Verlässlichkeit für beide Seiten aus.

  • Welche Entscheidungsspielräume hat die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter bzw. welche inhaltlichen/fachlichen Ausprägungen sind möglich? Auch diese Frage besitzt großes Gewicht, denn mit einem "friss oder stirb" lässt sich niemand motivieren geschweige denn langfristig ans Unternehmen binden.
     

  • Wieviel zeitliche Flexibilität besteht? Bis zu welchem Alter sollten spezialisierte Lehrgänge absolviert oder der Abschluss der Höheren Berufsbildung erreicht werden?
     

  • Wie genau fördert das Unternehmen eine bestimmte berufliche Entwicklung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters? So kann es beispielsweise sinnvoll sein, jüngere Fachkräfte ganz bewusst für festgelegte Zeiträume an anderen Standorten bzw. im Außendienst einzusetzen (Job-Rotation). Aus Unternehmenssicht gewinnen diese Fachkräfte hierdurch schnell ein erweitertes Verständnis der übergreifenden Zusammenhänge im Unternehmen. Aus Mitarbeitersicht stellt eine solche Phase einerseits eine besondere Herausforderung dar, schafft aber auch Abwechslung im bestehenden Aufgabenprofil und wertvolle Impulse für die eigene persönliche Reife.       

Zusammenfassend

Es ist klar, dass nicht jede Fachkraft das Zeug dazu hat, Projektleiter, Teamleiter, Abteilungsleiter oder Manager zu werden. Klar ist auch, dass nicht jede und jeder Beschäftigte genau das erreichen will. Umso wichtiger ist es, denen, die das Zeug dazu haben, auch wenn sie es sich vielleicht am Anfang selbst gar nicht zutrauen, den entscheidenden Anschub zu geben und eine gesteigerte Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber aufzubauen.

Ein wichtiges Instrument, damit das gelingt, sind regelmäßige Entwicklungsgespräche, in denen Ausbilder bzw. nach der Übernahme die für die Personalentwicklung verantwortlichen Führungskräfte den High-Potentials ihre individuellen Karrierewege im Unternehmen konkret offenlegen und den nächsten Entwicklungsschritt mit ihnen abstimmen.

  • Damit das Unternehmen von Beständigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren kann, braucht es einen übergreifenden Entwicklungs- bzw. Karriereplan, der in etwa folgende Szenarien abbildet:
    - Von der Fachkraft zum Spezialisten
    - Aufstiegsmöglichkeiten in den einzelnen Fachbereichen
    - Wege zur Führungskraft im Unternehmen
    - Karrieremöglichkeiten für Quereinsteiger (zum Beispiel für Bewerber mit Studienerfahrung aber ohne Abschluss oder für Bewerber, die aus anderen Branchen kommen)
    - Entwicklungsmöglichkeiten für ältere Mitarbeiter

In den Entwicklungsgesprächen sollten Sie transparent machen können, welche Qualifikationen für welchen Entwicklungsschritt bis zu welchem Alter verlangt werden und welcher Zusammenhang zwischen Fördern und Fordern jeweils im Detail besteht.

Sie sollten in den Entwicklungsgesprächen Flexibilität signalisieren, den grundlegenden Entwicklungs- bzw. Karriereplan an die individuelle Karrierementalität und die fachlichen Interessen anzupassen.

Nutzen Sie die Fakten, die die verschiedenen Studien (siehe Quellen am Schluss des Artikels) zu den Karrieremöglichkeiten mit beruflicher Qualifizierung Ihnen bieten:

  • Höhere Berufsbildung trägt dazu bei, Arbeitslosigkeit vorzubeugen.
  • Sie ermöglicht anspruchsvollere Aufgaben und die Übernahme von mehr Verantwortung im bestehenden Aufgabengebiet.
  • Sie bleibt konsequent auf die berufliche Praxis fokussiert: Aus der Praxis für die Praxis.
  • Sie eröffnet zahlreiche Karrierechancen bis hin zu leitenden Funktionen und damit auch die realistische Aussicht auf höhere Gehälter.
  • Sie schafft für das Unternehmen und die Fachkraft eine gegenseitige höhere Verbindlichkeit, am gemeinsamen Erfolg zu arbeiten.

Ja, die Erstellung eines Entwicklungs- und Karriereplans für das Unternehmen und das Führen von Entwicklungsgesprächen bedeuten Arbeit – doch es lohnt sich: Schließlich geht es um die gemeinsame Zukunft und den Erhalt der Leistungsbereitschaft Ihrer wertvollsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über viele Jahre hinweg.

 

TIPP: Die Broschüre "Das Beste aus Bildung machen" stellt alle Karrierewege mit IHK-Berufsabschlüssen und IHK-Weiterbildungen anschaulich vor und erläutert viele wichtige Grundzüge des Systems der höheren Berufsbildung. Kostenfreier Download der Broschüre hier.

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Quellen unter anderem:
Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, 2016: „Karrierefaktor berufliche Fortbildung“, im Auftrag der DIHK-Gesellschaft für berufliche Bildung – Organisation zur Förderung der IHK-Weiterbildung mbH

Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), Februar 2020: „Lebenseinkommen von Berufsausbildung und Hochschulstudium im Vergleich“, im Auftrag des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK)